Harmonischer Wohlklang im Paradies

 

Am Sonntagabend beschenkten Evelyn Beyer und Raphael Bussinger als Harfenduo Ayrun gemeinsam mit Ralph Juraubek (Querflöte) und Erich Meili (Geige) zahlreiche Zuhörer mit entspannender, wohlklingender Musik.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Die an irische Volkslieder erinnernden Eigenkompositionen und fantasievollen Arrangements von Evelyn Beyer und Raphael Juraubek führten in die Vorstellungswelt eines melancholischen Lebensgefühls der Einsamkeit und Weite einer Insellandschaft.

Raphael Bussinger, Ralph Juraubek und Erich Meili (als Special Guest) sind drei professionell diplomierte Berufsmusiker, die sowohl an der Musikschule Altstadt Schaffhausen als auch an der Musikschule SMPV in Schaffhausen Musikunterricht erteilen. Evelyn Beyer und Raphael Bussinger fanden durch ihre gemeinsame Liebe zum Musizieren auf der keltischen Harfe verschiedener Bauarten zusammen.

Besinnlichkeit und Ruhe

Wie wohltuend ist es in unserer hektischen, problembeladenen Zeit, im besinnlichen Raum der Klosterkirche mit einem ruhigen Konzert ohne aufwühlende Dramatik zu innerer Ruhe und Beschaulichkeit zu finden!

Die Musik bewegte sich in meditativen Variationen und sanften Molltonarten jenseits spannungsgeladener Dissonanzen oder dramatischer Überraschungseffekte. Neben dem Spiel auf ihrer Harfe gestaltete Evelyn Beyer – deren äussere Erscheinung dem irischen Menschenbild entspricht, wie man es sich vorstellt – mit lieblich schlichter Singstimme die englischen Texte auf berührende Weise.

In weit angelegten Melodiebögen trugen auch Flöte und Geige bei zu den fliessend aneinandergereihten, «arpeggierten» – von «l’arpa», die Harfe, auf Italienisch – Dreiklangstönen der Harfen.

Mit ihren Farben bereicherten sie das harmonische Klangbild, welches in der tragenden Akustik des Sakralraums wunderschön zur Entfaltung kam.

Die Musikstücke handelten vom Erwachen der Natur im Frühling, von fallenden Blättern im Herbst, vom Blick in die Ferne und von der Sehnsucht nach Freiheit und Frieden, nachdenklicher Wehmut und Erinnerungen an paradiesische Träume jenseits von Raum und Zeit.

Mitunter frischte die ruhige Musik auf, um in ein munteres Tempo gut gelaunter irischer Volkstänze zu wechseln.

Projekt mit Vorbildcharakter

Einzelne Stücke aus der Feder von Ralph Juraubek machten neugierig auf die musikalischen Geschichten am Familienkonzert der nächsten Schaffhauser Kulturtage im Juni, wo der ganze Zyklus aufgeführt wird – ein vorbildliches Projekt, um Kinder auch mit leisen Tönen zu klassischer Musik und eingängiger klanglicher Schönheit hinzuführen.

Sanft verklingt sie, dennoch wirkt sie noch lange in uns nach.

 

Gisela Zweifel - Schaffhauser Nachrichten, 19. November 2024

Traditionelle Schweizer Volksmusik im Paradies

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Neoländler begeisterten in der Schlatter Klosterkirche mit musikalischer Vielfalt und Texten von Christian Schmid

Unter dem Titel «Eigets – Uf em Gupf» stand die Klosterkirche Paradies am vergangenen Sonntag ganz im Zeichen traditioneller Schweizer Volksmusik mit modernen Einflüssen, dazu die berndeutschen Texte des Mundartspezialisten und Wortkünstlers Christian Schmid.
Ein bunter Klangteppich, gewebt aus den Tönen von an die zwanzig verschiedenen Instrumenten,empfing das Publikum in der voll besetzten Klosterkirche beim zweiten von sechs Konzerten der Reihe «Kultur in der Klosterkirche Paradies». Untermalt wurde die Musik mit Christian Schmids poetischer und philosophischer Erzählkunst. Wortspiele, Wortgrüblereien, Wortgeschichten, packende und berührende Texte mit humorvollen Pointen trafen auf Tänze, Lieder, Jutze und Rufe, alte und neue, von nah und fern.
Den Auftakt zum Konzert machte die Gruppe «Neoländler» mit Susanne Jaberg, Iris Keller, Thomas Keller sowie Lorenz Nejedly mit der schwungvollen und heiteren Melodie des «Solothurner», einem der ältesten Schweizer Tänze und ein Stück lebendiger Geschichte, das in der modernen Volksmusikszene immer wieder gerne aufgegriffen wird. Die Spezialität der Neoländler ist das Spielen auf Instrumenten, die heute nicht mehr im Zentrum der Volksmusik stehen, wie Halszither, Häxeschit, Drehleier, Einhandflöte, Trümpi und andere Exoten. So war dann auch der «Zwei-Häxeschit-Schottisch», gespielt von Vater und Tochter Keller, ein Höhepunkt des Programms. Das Häxeschit ist eine Art einfache Zither, einst das «Lumpeninstrument» der armen Leute, bis sie ab etwa 1830 durch den aufkommenden Alpentourismus auch vom Bürgertum entdeckt wurde.
«1,2,3 – 1,2,3 – sie hebt ihn, er hebt sie», Christian Schmid wollte einen Text machen, der ganz im Walzertakt gesprochen werden kann, «gli einisch wirds ranzig, es isch mir scho tanzig». Man kann den Walzer aber nicht nur sprechen, man kann ihn auch tanzen, «dazu brauche es eine «Handorgel», die relativ weit ausgezogen werden kann und eine nicht allzu dicke Frau», erklärt Thomas Keller und bindet der Geige spielenden Susanne Jaberg das Schwiizer-Örgeli um den Bauch, um dann 1,2,3 aneinander geschmiegt das Publikum mit dem Tanzwalzer zu entzücken.


Zahnlosigkeit führt zum Karriereende


«Die wie ein abgebrochener Zapfenzieher aussehende Maultrommel, auch Schnurre, Trümpi, oder Brummeisen genannt,hat eine Geschichte, fast wie eine Königin», verrät Schmid. Sieist wohl das einzige Instrument, bei dem man gleichzeitig Musiker und Resonanzraum ist. Das älteste und überall verbreitete Instrument sieht unscheinbar aus, doch wenn man es wie Iris Keller virtuos anstellt, kann sie ganze Melodien in minimalistischer Form von sich geben. Während der Philosoph Immanuel Kant, die Maultrommel als Mittel gegen Würmer proklamierte,
erreichte Karl Eulenstein, Sohn eines Seifenkochers, im 19. Jahrhundert eine aussergewöhnliche Virtuosität auf dem Instrument, die ihn an die Königshöfe von Österreich und England brachte.
Leider fiel ihm bereits im Alter von 31 Jahren der letzte Zahn vom Oberkiefer und seine Karriere fand ein jähes frühzeitiges Ende.
«Wir können Musik nur hören, weil Töne und Laute in die Stille fallen», sinniert Schmid zum Auftakt der grossen Stille-Trilogie. Schmid spricht leise, beinahe meditativ, über die Stille. Begleitet von sanften, mystischen Klängen der Bassgitarre, gespielt von Lorenz Nejedly, der eine tiefe, schwebende Athmosphäre schafft. Allmählich setzt der sphärische Gesang von Iris Keller ein, zart und ätherisch. Mit jedem Ton füllt sich die
Stille – sie breitet sich aus, wird greifbar, wächst und umhüllt alles, bis sie schliesslich selbst zu einer Form von Klang wird, die den Raum erfüllt und gleichzeitig trägt.
Am Ende des Abends war klar: Die Zusammenarbeit von Christian Schmid und den Neoländlern war mehr als nur ein Konzert – es war ein kulturelles Ereignis, das die Berner Mundart und die Schweizer Volksmusik auf eine neue, kreative Weise zusammenführte. Der lang anhaltende Applaus des Publikums bestätigte, dass diese Symbiose aus Wort und Klang ein voller Erfolg war,

 

 

 

 

Gabriele Caduff - Bote vom Untersee und Rhein, 25. Oktober 2024

Virtuoser Auftritt im Paradies in Schlatt

Das Fiorini Trio spielte ein anspruchsvolles Programm, das nur selten zu hören ist. Seine Länge und die durchgehend gleiche Instrumentation verlangte höchste Konzeentration beim Zuhören.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Das Fiorini Streichtrio interpretierte das Streichtrio von Wolfgang Amadeus Mozart meisterhaft.

Speziell für diesen Kammermusikabend, zum Start der neuen Saison der Konzertreihe in der Klosterkirche Paradies, taten sich die drei exzellenten Musiker Piotr Baik (Violine), Paul Westermayer (Viola), und Anita Federli-Rutz (Violoncello) zusammen. Daneben spielen sie auch in diversen anderen Kammermusikformationen sowie in Sinfonieorchestern der Tonhalle Zürich oder St. Gallen. Zur Einstimmung auf das überaus anspruchsvolle Mozart-Trio sowohl für  Ausübende als auch Publikum, wählten sie ein fröhliches, leichtfüssiges Allegro aus dem unvollendet gebliebenen Streichtrio in B-Dur von Franz Schubert – auch dieses ein Spätwerk der letzten Lebensjahre des frühvollendeten Künstlers entsprechend dem nachfolgenden von Mozart. Beide unsterblich gewordenen, grossartigen Musiker der Klassik starben jung mit nur 31 und 35 Jahren. Die in jeder Beziehung hohe technische Überlegenheit des Fiorini Trios und seine feinfühlige, differenzierte musikalische Gestaltung kamen bereits hier voll zum Tragen.

Mozarts gigantisches Streichtrio

            Das einzige Streichtrio von Wolfgang Amadeus Mozart steht in Es-Dur unter der KV-Nummer 563 und ist mit «Divertimento» überschrieben. Gemäss dieser Kammermusikgattung beschränkt es sich in dieser Kleinstbesetzung auf die Instrumente Geige, Bratsche und Cello. Umso mehr verlangte es deshalb nach kompositorischer Fantasie und Kunstfertigkeit, um es an die Seite grossangelegter, reicher instrumentierter Werke zu stellen. Der früh gereifte Komponist machte es nach allen Regeln der Kunst zu einem gewaltigen Werk in sechs Sätzen, welches eine Aufführungsdauer von nahezu einer Stunde zeigt. Der Verdacht liegt nahe, dass «Divertimento» (italienisch «Vergnügen») hier in erster Linie zur hochstehenden Unterhaltung kunstfertiger Instrumentalisten und weniger unbedarften Zuhörern diente – spielte in dieser «Hausmusik» der geniale Mozart doch selber die Bratschenstimme. Zwei spritzig lebhafte Allegro-Sätze von höchster Virtuosität standen zu Beginn und am Schluss des Werks, wo sich alle drei Instrumente thematisch mit kunstvoll variierter Kontrapunktik, Modulationen und interessanten rhythmischen Verschiebungen nahtlos aneinanderfügten. Der liedhaft innig schlichte, lupenrein intonierte Adagio-Satz mit empfindsamem Ausdruck steigerte sich zu einem fulminanten Schluss. Gleichwohl alles andere als einfach gestrickt, erklangen die zwei tänzerisch verspielten Menuette.

Da alle drei Instrumente gleichwertig pausenlos im Einsatz waren, boten sich auch keine Kontraste zwischen Solo und Tutti, wie es in einem Klaviertrio oder einer Orchesterbesetzung möglich ist. Auf diese Art und in dieser Länge war es unvermeidlich, dass sich trotz meisterhafter Gestaltung der klangliche Eindruck mit der Zeit als etwas gleichförmig und leicht ermüdend abnutzte. Nach dieser Parforceleistung beglückten die Musiker das Publikum noch mit einem allerletzten Menuett aus einem frühen Streichtrio von Ludwig van Beethoven, das sich mit seiner kernigen Thematik wohltuend abhob.

 

 

Gisela Zweifel - Bote vom Untersee und Rhein, 27. September 2024

Sechs Gitarren wie ein grosses Orchester

Die sechs Gitarristen aus vier Nationen, «Guitarra a Seis» faszinierten durch ihren besonderen Klang

BILD BARBARA BINZEGGER

 

       Sechs Gitarristen aus vier Nationen unter dem portugiesischen Namen «Guitarra a Seis» erfreuten im

letzten Konzert dieser Saison am Sonntag ein dankbares Publikum in der Klosterkirche Paradies.

Die sechs exzellenten Musiker Matthias Kläger, Tobias Krebs, Adam Olenczak, Edmauro de Oliveira, Harald Stampa und Jens Stibal musizierten auf zum Teil speziell für sie entwickelten Instrumenten aller Grössen und Stimmlagen. Insgesamt steht ihnen mit einem Tonumfang von fünfeinhalb Oktaven die ganze Orchesterliteratur offen, um sie ohne klangliche Einschränkungen durch Oktavierungen wiedergeben zu können. Was diese aussergewöhnliche Besetzung besonders reizvoll macht, ist das schwerelose, fein ziseliert durchsichtige, zarte Klangbild, welches die fehlenden dynamischen Kontraste der üblichen Orchesterbesetzung beinahe wettmacht. Als besonders geeignet für Gitarrenensemble erwiesen sich die duftig leichten Klangfarben der impressionistischen französischen Musik von Maurice Ravel, wie sie in den Märchenszenen von «Ma mère L’Oye» (Meine Mutter Gans) zum Ausdruck kamen, und somit der ursprünglich vierhändigen Klavierfassung (später umorchestriert für die Theaterbühne) ideal entsprachen. Vor dem inneren Auge entstanden zauberhafte Bilder eines geschmeidigen Tanzes der Schönen mit dem Biest, daneben geheimnisvolle Farben eines Feengartens, oder in der Zugabe das schlafende Dornröschen im Wald. Stilistisch typisch erklangen pentatonische chinesische Tonfolgen (fünf Töne wie die schwarzen Klaviertasten) im reizenden Auftritt der verzauberten chinesischen Kaiserin der Pagoden.

            Auch Edvard Griegs vier norwegische Tänze op. 35, ursprünglich ebenso für Klavier vierhändig komponiert, entsprachen den hellen, aparten Klangfarben der «Guitarra a Seis». Dabei beeindruckten die empfindsame freie Gestaltung, hohe Präzision und die mitreissende Musizierfreude der Musiker.

            Die Adaption des dritten Brandenburgischen Konzerts von Johann Sebastian Bach übertrug den dumpfen Klang der tiefen originalen Streicher reizvoll in ein durchsichtig konzertantes, filigranes Klangbild der Gitarren, denen weniger vordergründige dynamische Steigerungen, dafür eine fein abgestufte Terrassendynamik gegeben war. Sie musizierten mit zügigem Drive und höchster Präzision. Wunderschön wirkte die langsame Überleitung zwischen den Allegrosätzen. Zu einem heissen Feuerwerk von höchster Virtuosität wurde die Ouvertüre von Gioachino Rossini zur Oper «Die Italienerin in Algier» mit atemberaubendem Accelerando in der Schlusssteigerung.

            Grossartig erklang das breit angelegte Tongemälde des polnischen Film- und Orchesterkomponisten Wojciech Kilar (1932-2013) in eigenwillig meditativer Tonsprache, angelehnt an die «Minimal Music» mit kleingliedrigen Ostinatomotiven, als grandiose Impressionen über den slowakischen Fluss Orawa von der Quelle bis zum reissenden Strom – eine Idee, welche auch Bedrich Smetanas «Moldau» berühmt machte. Zuletzt wurden die begeisterten Zuhörer mit Frank Zappas kunstvoll arrangierten «Peaches in Regalia» und zündendem Beatrhythmus beschenkt, dann wurde Dornröschen endgültig in einen ruhigen Schlaf versenkt.

 

 

Gisela Zweifel - Bote vom Untersee und Rhein, 15. März 2024

Gehaltvolle Streichsextette von hoher Aussagekraft

In der Klosterkirche Paradiesin Schlatt ertönte ein Konzert von perfekter Homogenität für höchste Ansprüche

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Die Interpretationen der sechs Streicher berührten durch Empfindungsreichtum ohne übertriebene Effektherrschrei oder Gefühlsduselei.

 

    Im zweitletzten Konzert dieser Saison in der Klosterkirche Paradies beeindruckten am Sonntag je ein umfangreiches, spätromantisches Kammermusikwerk von Arnold Schönberg und Johannes Brahms.

    Alban Beikircher und Oriana Kriszten, Violine, Mario Korunic und Vera Beikircher, Bratsche, sowie Jonas Vischi und die Schaffhauserin Sandra Holzgang, Cello, bildeten ein Ensemble von perfekter Homogenität für höchste Ansprüche. Durch das hohe Können jedes einzelnen und ihr Zusammenspiel aus einem Guss zeigte ihre Interpretation musikalische Sensibilität vom Feinsten. Sie berührte durch Empfindungsreichtum ohne übertriebene Effekthascherei oder Gefühlsduselei.

 

     «Verklärte Nacht» Op.4 heisst das berühmte Frühwerk von Arnold Schönberg (1874-1951), welches er 25-jährig in spätromantischer Tradition vor dem Aufbruch in die Moderne auf ein Gedicht von Richard Dehmel komponierte. Kompositorisch lehnte sich Schönberg in diesem komplexen, einsätzigen Werk an die Variationstechnik von Johannes Brahms mit sich entwickelnden Motiven an. Daneben bediente er sich der chromatisch fluktuierenden Harmonik und fliessenden «endlosen Melodie» Richard Wagners. Die Uraufführung von 1902 wurde in Wien zu einem Skandal. Die dramatische «Programmmusik» über das Gedicht und dessen Inhalt wurde in der Öffentlichkeit damals als unmoralisch abgelehnt. Es handelt von einem ins Gespräch vertieften Liebespaar, das sich in einer vom Mondschein verklärten Nacht auf einem einsamen Spaziergang befindet. Sie gesteht ihm ihre Schwangerschaft durch einen anderen Mann. Er verzeiht ihr mit Grossmut und bietet ihr mit liebevollen Worten an, das Kind freudig willkommen zu heissen. Es bewegte die Zuhörer, wie durch die ausdrucksvolle musikalische Gestaltung sich die düstere, bedrohliche Anfangsstimmung im Durchleben von Unruhe und Verzweiflung des Mittelteils in einen hoffnungsvollen Schlussteil mit «Happy End» verwandelte.

 

     Mit einer Spieldauer von auch über einer halben Stunde folgte das emotional vielschichtige Streichsextett B-Dur Op.18 in vier Sätzen von Johannes Brahms (1833-1897), welches die sechs Streicher mit Herzblut spielten. Der Komponist bezeichnete das umfangreiche Werk als «langes, sentimentales Stück», dennoch entstanden weder Langatmigkeit noch Langeweile. Im ersten Satz symphonischen Ausmasses kamen liedhaft Gesangliches neben verspielter Volkstümlichkeit zum Ausdruck. Der zweite mit seinem schwärmerischen, ungarisch angehauchten Thema in Moll enthielt sechs farbige Variationen, wo sich die Stimmgruppen wechselweise die Führung überliessen. Leichtfüssig und munter erklang der dritte Satz, mit einer virtuosen «Stretta» endete zuletzt der vierte. Die Lust am Musizieren aller war deutlich spürbar.

 

Gisela Zweifel - Bote vom Untersee und Rhein, 16. Februar 2024

Quintetto Inflagranti im Paradies

Das Quintetto Inflagranti verbreitete eine fröhliche Stimmung

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Mit fetziger Weihnachtsmusik überraschte und erfreute das Blechbläserensemble, welches sich vor 30 Jahren an der Musikhochschule Zürich formierte, am Donnerstag die zahlreichen Konzertbesucher.

 

Vermutlich hatten nicht wenige Zuhörer des traditionellen Weihnachtskonzerts im Rahmen der Konzertreihe in der Klosterkirche Paradies etwas anderes erwartet. Doch das Motto «Inflagranti Christmas» deutete auf ein munteres, (neu)englisch angehauchtes Programm hin, welches mit der feierlichen Ausstattung der barocken Kirche eine sonderbare Synthese bildete. Diese war ein schöner Beweis dafür, dass man auch in einer sakralen Atmosphäre locker und nicht immer todernst sein kann. Die fünf Bläser des «Quintetto Inflagranti» liessen sich «in flagranti», d.h. auf frischer Tat ertappen, indem sie die angekündigte Weihnachtsmusik «aus fünf Jahrhunderten» meistens jazzig oder im Stil englischer Brassbands in unsere Moderne ummünzten. Dadurch kam man in den überraschenden Musikgenuss eines zwar weniger besinnlichen, dafür umso fröhlicheren Programms mit unterhaltsamen Bearbeitungen von Melodien aus vielen überlieferten Weihnachtsliedern, wie sie uns seit jeher bekannt sind. Immerhin noch vertraut war der schöne Brauch, zu diesem Anlass in der Konzertpause Glühwein mit Christstollen im Freien anzubieten.

 

Vom Trompeter Basil Hubatka stammte der eingängige, strahlende Eingangssatz über das «Gaudete christus est natus» aus dem 16. Jahrhundert, mit ihm musizierten Bernhard Dihl. Trompete, Heiner Wanner, Waldhorn, Niki Wüthrich, Posaune, und Karl Schimke, Basstuba, – und es war offensichtlich, wie gut sich die fünf Bläser musikalisch verstehen. Mit Drive durch alle Tonarten und verschiedene Besetzungen, schräg und witzig folgte ein poppiges Potpourri über «Vom Himmel hoch», «Stille Nacht», «Lasst uns froh und munter sein» und «O Tannenbaum». Hingegen feierlich getragen erklang das englische Weihnachtslied «In the bleak Midwinter» in der Vertonung von Gustav Holst (1874-1934), dafür frisch und gut gelaunt folgte die «Sérénade d’hiver» des französischen Romantikers Camille Saint-Saëns (1835-1921) als Transkriptionen für Blechbläserquintett. Auch mit den kunstvollen Variationen über das provenzalische Weihnachtslied «De bon matin, j’ai rencontré le train», dem Marsch der Könige von Georges Bizet (1838-1875), bewiesen die Musiker ihr Können. Als willkommener, festlicher Gegenpol zum übrigen Programm erklang das weihnachtliche «Hodie Christus natus est», der stilvolle Renaissance-Bläsersatz des Niederländers Jan Pieterszoon Sweelinck. Hier bewies sich das Ensemble auch im versierten Spiel von Alter Musik. Es folgten amerikanische Weihnachtshits und - Ohrwürmer mit jazzigem Groove, zum Schluss «We Wish You a Merry Christmas» und als Zugabe ein Ragtime über «Jingle Bells», «O Tannenbaum», «Lasst uns froh und munter sein» sowie «Fröhliche Weihnacht überall» – und zuallerletzt, wie könnte es auch anders sein? – das mitreissend lebenslustige, lateinamerikanische «Feliz Navidad» zum Mitsingen.

 

Gisela Zweifel - Bote vom Untersee und Rhein, 5. Januar 2024

Musikalisch mediterranes Feuerwerk

Die Sängerin Manuela Tuena bei ihrem Auftritt mit dem Musikensemble Gufo Reale Incanta in der Klosterkirche Paradies.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Den Musikern Franco Mettler, Klarinette, Mauro de Oliveira, Gitarre, Tom Weber, Akkordeon, und Jojo Kunz, Kontrabass, vom Musikensemble Gufo Reale ist es mit der Schweizer Sängerin Manuela Tuena aus dem Puschlav gelungen, ihrem Musikensemble einen neuen, stark mediterranen Impuls zu verleihen. Damit sind sie jedoch klar von ihrem angekündigten Programm einer musikalischen Reise von den Bergen an die lauen Gestade des Mittelmeers abgerückt. «Dank des begeisternden Musizierens mit der Sängerin Manuela Tuena haben wir den Berg schnell vergessen», erklärt Klarinettist und Ensemblegründer Franco Mettler mit einem verschmitzten Lächeln. Damit habe sich das Musikensemble von Gufo Reale zu Gufo Reale Incanta – was auf Deutsch soviel wie «der singende Uhu» heisst, gewandelt; dies in Referenz zu ihrem häufigen nächtlichen Musizieren.

 

Vielfältiger Mix

Den Beginn macht das Ensemble mit dem in die Glieder fahrenden Instrumentalwerk «Sia maledetta». Eindrücklich, wie das vom Klarinettisten oder Gitarristen gesetzte Thema vom Ensemble mit nonverbaler Kommunikation untereinander übernommen und in einer gut abgestimmten Mischung von feurigen italienischen Rhythmen bis hin zu jazzartig anmutendem Swing- Stil weiterentwickelt wird. Mit einem inniglich und trotzdem feurig interpretierten Liebeswalzer des italienischen Komponisten Gino Marinuzzi lässt dann Manuela Tuena die Zuhörer vollends in die Tiefen der herzerwärmend inspirierenden «Musica mediterranea» eintauchen. Diese musikalisch erlebte Italianità findet ihre Fortsetzung in den beherzten weiteren Gesangsauftritten von Manuela Tuena wie beispielsweise dem stramm interpretierten «Taquito militar» von Mariano Mores, dem romantisch inspirierenden Lied «Guarda che Luna» von Matiano Mores und nicht zu vergessen dem ebenfalls von ihr in «Griko», einem italogriechischen Dialekt interpretierten Lied «Re mou rindineddha». Eindrücklich ihre teils einfühlsam zart, dann wieder energisch kräftig modulierende Stimme.

 

Im Bann der Musik

Musikalisch getragen und meisterhaft mit teils soloartig eingestreuten Kadenzen ergänzt werden die Gesangsauftritte durch das Zusammenspiel von Klarinette, Gitarre, Akkordeon und Bassgeige. Auch die folgenden Vokal- und Instrumentalwerke ziehen die Zuhörer mit den von der Bergamaska bis zur Tarantella reichenden Rhythmen und Weisen vollends in Bann.

Etwas weiter zurück in der Musikgeschichte reichen die beiden Werke der Renaissance: «Se laura spira» von Girolamo Frescobaldi sowie «Amarili» von Giulio Caccini. Doch auch hier überzeugt das Ensemble Gufo Reale Incanta durch seinen stilistisch eigenständigen Ausdruck, ergänzt auch durch brasilianische Rhythmen. Den grossen Publikumsapplaus verdanken die Sängerin Manuela Tuena und das Ensemble mit dem bekannten italienischen Volkslied «Bella ciao».

 

Hans-Caspar Ryser - Schaffhauser Nachrichten, 21. November 2023

 

 

Eine musikalische Entdeckungsreise mit «MareMonti»

Das Ensemble Gufo Reale mit der Sängerin Manuela Tuena begeisterte das Publikum in der Klosterkirche Paradies in Schlatt mit Stücken von der Bergamasca bis zur Tarantella.

 

Das Konzert in der Klosterkirche Paradies vom vergangenen Sonntag war sehr gut besucht und die Präsidentin von Kultur Paradies, Reneé Franck, freute sich, im Ensemble «Gufo Reale Incanta» bekannte Gesichter zu begrüssen. Einzelne Mitglieder haben bereits in anderen Formationen in der Klosterkirche gespielt und Gitarrist Edmauro de Oliveira wird im März 2024 im Ensemble «Guitarra a seis» wieder mit von der Partie sein. Gufo Reale beschliesst mit dem Programm «MareMonti» von den Bergen ans Meer zu fahren und nimmt die Sängerin Manuela Tuena ins Boot.

 

Das Ensemble «Gufo Reale» mit den preisgekrönten Instrumentalisten Franco Mettler, Klarinette, Thomas Webber, Akkordeon, Edmauro de Oliveira, Gitarre, und Jojo Kunz, Bass, startet den Abend mit einem Lied aus der Renaissance das sie durch den Fleischwolf gedreht haben und das zum Schluss in einer Tarantella ausartet. Und lüpfig müpfig geht es gleich weiter mit Nino Remigio Nussios «Valzer in Re». Mit der wunderbaren Stimme der Sängerin aus Poschiavo, Manuela Tuena, wird das Ensemble nun zu «Gufo Reale Incanta».

 

Mit den Liebesliedern «Bocca di rosa» von Fabrizio De André und «Guarda Che Luna» von Fred Buscaglione spielt, singt und erzählt Gufo Reale Incanto von Eifersucht und Intrigen, aber auch von den intensiven Gefühlen der Sehnsucht und Traurigkeit in Abwesenheit eines geliebten Menschen und berühren mit ihrer Musik die Herzen des Publikums.

 

Bezaubernde «Musica Mediterranea»

Das Programm «MareMonti» ist eine Hommage an den Berg, der sich in Richtung Meer wagt. Ausgangspunkt ist die Vokalund Instrumentalmusik aus den Alpen, um dann später in die Tiefen der wunderbaren «Musica Mediterranea» abzutauchen. Dabei singt Manuela Tuna «Are mou rindineddha» auch in «Griko», einem italo-griechischen Dialekt, der heute wieder vermehrt in Teilen von Salento oder Kalabrien gesprochen wird. Auch heute noch gibt es vereinzelt Autoren, welche Canti di Amore in Griko verfassen. Der ursprüngliche Zweck der Canti di Amore, das Umwerben der Geliebten, ist allerdings inzwischen verloren gegangen.

 

Rein instrumental zeigt das Ensemble sein meisterhaftes virtuoses Können unter anderem mit einem Lied aus dem Musikstil «Choro», entstanden in Brasilien um 1870 aus der Fusion populärer europäischer Tanzmusik wie Walzer, Polka, Mazurka und der Musik der aus Afrika nach Brasilien verschleppten Sklaven. Das Musikstück «Machucando» von Adalberto de Souza beginnt lieblich und zart, leicht traurig, um dann in ein höheres Spieltempo, in dem der europäische Einfluss gut zu hören ist, zu wechseln. Mit dem Tango «Taquito Militar» von Mariano Mores versuchen Gufo Reale die Engel in der Klosterkirche zum Tanzen zu bringen und mancher Zuschauer bewegt seine Füsse dazu in einem ganz eigenen rhythmischen Tanz.

 

In der «musica mediterranea» darf die Tarantella nicht fehlen, ein mit Kastagnetten und Schellentrommeln getanzter süditalienischer Volkstanz, dessen Melodie angeblich zur Heilung der von Taranteln gebissenen aufgespielt wird. Mit tosendem Applaus bedankte sich das Publikum für den wundervollen Abend, die bravourös gespielten und gesungenen Darbietungen und durfte in der Zugabe zum bekannten Lied «Ciao bella ciao» mitsingen. Das Konzert war ein berührendes und beglückendes Erlebnis.

 

Gabriela Caduff - Bote vom Untersee und Rhein, 21. November 2023

Sternstunde klassischer Kammermusik

Das Quatuor Terpsycordes schenkte seinen Zuhörern beim Konzert in der Klosterkirche Paradies eine seltene Sternstunde.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Um es gleich vorwegzunehmen: Was das Streichquartett Genfer Quatuor Terpsycordes am Sonntag in der Klosterkirche Paradies beglückend dargeboten hatte, ist auch mit Superlativen kaum zu beschreiben.

 

Streichquartette von Joseph Haydn, Frank Martin und Franz Schubert standen auf dem dichten Programm, welches das international zusammengesetzte, preisgekrönte Spitzenensemble mit nicht zu übertreffendem, unglaublichem Können und höchster Empfindsamkeit in der Klosterkirche darbot. Die Musikerinnen und Musiker Girolamo Bottiglieri und Raya Raytcheva, Geigen, Caroline Cohen-Adad, Bratsche, und Florestan Darbellay, Cello, wussten die zahlreichen Zuhörer tief zu bewegen und hellauf zu begeistern.

 

«Erfinder» der Streichquartette

68 Streichquartette hatte Haydn im Lauf seines Lebens geschrieben, welche durch ihre Originalität ein grosses Vorbild auch für Wolfgang Amadeus Mozart waren. Das Quatuor Terpsycordes hat es sich unter anderem zur riesigen Aufgabe gemacht, sie allesamt auf CDs einzuspielen. So erstaunte es nicht, eine mustergültige Interpretation des Haydn-Quartetts in G-Dur op. 33/5 zu Gehör zu bekommen. Die vier Künstler bewegten sich wie der Fisch im Wasser des empfindsamen Stils. Ihr Spiel zeigte sich spritzig und spannungsreich, zugleich war es von höchster Einfühlsamkeit und inniger Beseeltheit mit allerfeinsten dynamischen Nuancen.

 

Das gemässigt moderne Streichquartett des Welschschweizer Komponisten Frank Martin von 1967 berührte mit (jüdisch?) angehauchten Klagemelodien ausdrucksvoller Solostellen. Über leidenschaftliche Aufschreie folgten leise Töne, die resignativ in hauchzartestem Pianissimo verklangen. Ein melodiöses Larghetto erinnerte an das klangschöne Air von Johann Sebastian Bach. Ein virtuoser Satz im schnellsten Prestissimo mit höchster Perfektion des Zusammenspiels sowie ein filigranes munteres Allegretto liessen die reichhaltige Musik Frank Martins in vielseitiger Gestalt erklingen.

 

Packendes Werk

«Der Tod und das Mädchen», dieser Titel des späten, umfangreichen Streichquartetts in d-Moll D. 810 von Franz Schubert, mit dem er das konventionelle kompositorische Schema der Wiener Klassik aufbrach, deutet auf ein Gedicht von Matthias Claudius hin, wo der Tod als sanfter Freund eines jungen Mädchens erscheint. Das packende Werk ist von trauriger, resignativer Stimmung und zugleich voller Kontraste, welche die Musiker mit leidenschaftlichen, temperamentvollen Ausbrüchen und traumhaft schönen Momenten von überirdischer Zartheit gestalteten. Der berühmte zweite Satz schafft mit thematischen Variationen einen Bezug zu Schuberts besagtem Kunstlied.

Das Werk mündete in einen letzten Satz von atemberaubendem Tempo und unglaublicher Präzision. Erst die Zugabe des lieblichen langsamen Satzes aus Haydns Streichquartett op. 76/5 liess wieder befreit aufatmen. Mit allerfeinsten Schattierungen bildete sie einen versöhnlichen Schluss von ergreifender Abgeklärtheit. Das Konzert war ein tief berührendes, nachhaltiges Erlebnis, das nicht mehr zu toppen ist.

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten, 24. Oktober 2023

Bläsermusik lässt keine Wünsche offen

Das Bläserensemble wusste zu begeistern

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Die fünf Künstler des «BlattWerk Quintetts» spielten in aparter Besetzung mit Doppel- bzw. einfachen Rohrblattinstrumenten verschiedener Stimmlagen aus der Familie der «Holzblasinstrumente»: Martin Bliggenstorfer (Oboe/Englischhorn), Jonas Tschanz (Sopran- und Altsaxofon), Elise Jacoberger (Fagott), Richard Haynes (Bassklarinette) und Alberto Culmone (A-, B- und Es-Klarinetten). Ihr vielfältiges und ansprechendes Programm enthielt für ihr Ensemble hausgemachte, gekonnte Transkriptionen von Barockmusik, Klassik und Impressionismus.

In den 23 Variationen mit der Bezeichnung «La Follia» (der Wahnsinn) op. 5 Nr. 12 des italienischen Barockkomponisten Arcangelo Corelli zeigten die fünf ihre ganze Virtuosität und höchste Präzision in immer halsbrecherischeren Veränderungen über das bekannte Thema, dass einem Hören und Sehen vergingen. Umso anmutiger und lieblicher folgten vier Stücke «im alten Stil» der unbekannten, aber genialen französischen Komponistin Melanie Bonis, einer Schülerin von Gabriel Fauré mit impressionistischem Touch: charmante Musik mit bezaubernden Klangfarben, zuweilen tänzerisch leichtfüssig und graziös oder mit ausdrucksvoller Melodik, in gekonnter Übertragung von einschmeichelnder Klaviermusik aus der Feder der Fagottistin. Der gleichen Stilepoche vor 1900 entstammte das empfindsam gespielte, schwelgerische Wiegenlied «Evocación» aus dem Zyklus «Iberia» des französisch beeinflussten Spaniers Isaac Albéniz, auch dieses in einer Umschreibung von Klaviermusik.

Auch Paul (Pavel) Wranitzky ist heutzutage ein zu Unrecht vergessener Komponist. Er stammte aus Böhmen und machte zur Zeit Mozarts und Haydns, mit denen er befreundet war, Karriere in Wien. Seine im Konzert aufgeführte viersätzige, kunstvoll komponierte «Parthia» in F-Dur darf sich den beiden Genannten absolut auf gleicher Höhe zur Seite stellen. Der Bassklarinettist schrieb das ursprüngliche Oktett gekonnt für «BlattWerk» um, damit die meisterhafte Komposition mit allen Vorzügen des klassisch empfindsamen Stils zur ebenso meisterhaften, differenzierten Interpretation werden konnte. Es war ein sinfonisches Feuerwerk von schwungvoller Musizierlust, melodiöser Anmut und virtuoser Brillanz.

Das begeisterte Publikum wurde mit der Zugabe eines Quodlibets («Wie es beliebt», dem scherzhaften Durcheinander eingewobener Gassenhauer) aus Johann Sebastian Bachs kunstvollen Goldbergvariationen für Cembalo belohnt. Unter anderem blitzte auf verschmitzte Weise das Volkslied «Kraut und Rüben haben mich vertrieben …» auf – von Vertreibung war jedoch keine Spur. Es zeigte sich als reinstes Vergnügen, ein Ensemble von dieser Spitzenqualität hören zu dürfen!

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten, 26. September 2023

Mariengesänge vom Mittelalter bis zur Renaissance

Das Winterthurer Vokalensemble in der Klosterkirche Paradies

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Seit fast 20 Jahren widmet sich das Winterthurer Vokalensemble der Alten Musik und gelegentlich auch modernen Kompositionen. Dessen Gründer ist der in Uhwiesen aufgewachsene Beat Merz, Blockflötist, Lautenist, Sänger und Chorleiter in Personalunion. Gegenwärtig zählt das Ensemble rund 20 Sängerinnen, Sänger und Instrumentalisten, die sich auch mit ihren Singstimmen in die spürbar harmonische Gemeinschaft von Alte-Musikbegeisterten Amateuren und Profis eingeben. Die abwechslungsreichen Instrumentalarrangements mit fantasievoll aufgepepptem Klangbild historischer Originalinstrumente stammten alle von Beat Merz dank eines sicheren Gespürs, wie Alte Musik klingen soll.

Somit kamen am Sonntag in der Klosterkirche Paradies hohe und tiefe Blockflöten, Krummhorn, Gamben in hoher und tiefer Lage, Handtrommel und daneben ein Akkordeon zum Einsatz, das dem ausgeglichenen Gesamtklang einen runden Boden legte. Beat Merz sang, spielte das Krummhorn (Blasinstrument aus der Renaissance), dirigierte und begleitete die Musikstücke auf der Barocklaute oder der Citole, einer in Spanien nachgebauten historischen Zargenhalslaute, dem kleinen gitarrenartigen Instrument aus der Zeit Karls des Grossen.

Das Winterthurer Vokalensemble sang, spielte und erzählte Musik und Legenden rund um die wundertätige Jungfrau Maria. Zuerst erklangen Lobgesänge und Anrufungen von einstimmiger Gregorianik (Hildegard von Bingen), früher Mehrstimmigkeit bis zu rhythmisch eingängigen mittelalterlichen mehrstrophigen Pilgerliedern in Spanisch, Lateinisch und Italienisch, dies mit guter Diktion und in abwechslungsreichen Instrumentalbesetzungen. Ebenso sauber erklang die anspruchsvolle Komposition von Cheryl Lynn Helm (geboren 1957). Eine weitere Steigerung folgte in mehrstimmigen Renaissance-Motetten mit Chorsoli und vollem Chorklang, auch a cappella, bis zu musikalischen Höhepunkten der Marienverehrung: in der innigen Hoheliedmotette von Melchior Franck, einfühlsamen Lobgesängen des Spaniers Tomás Luis de Victoria und letztlich im grossartigen Hymnus Ave Maris Stella aus der Marienvesper von Claudio Monteverdi – eine wahrhaft paradiesische Musik!

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten, 14. März 2023

Klänge aus längst vergangener Zeit

Liebhaber alter Volksmusik kamen bei Tritonus voll auf ihre Rechnung

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Nicht auf Ländlermusik, Zäuerli oder Alpsegen reduziert war die alte Volksmusik des Ensembles «Tritonus», sondern man folgte musikalisch dem Nachtwächter einer mittelalterlichen Schweizer Stadt.

 

 

Ein riesiger Andrang von Konzertbesuchern herrschte am Sonntagabend in der Klosterkirche Paradies. Zu Gast war das ebenso bunt gemischte Ensemble Tritonus, sieben Frauen und Männer mit einem ganzen Arsenal von historischen und modernen Instrumenten. Alle sind sie hochprofessionelle und profunde Kenner und Spielleute von mittelalterlicher Musik bis zur Renaissance.

Bunte Klangfarben

Historische Blasinstrumente wie Blockflöten, Chalumeau/Schalmei, Schwegelpfeife und Dudelsack («Sackpfeife» und «Hümmelchen»), die exotische Ocarina (eine «Gansschnabelflöte»), modernes Saxofon und Klarinette in Sopran- und Basslage, Streichinstrumente wie Geige, Viola d’amore, Kontrabass und Violonen (die historischen Bassstreichinstrumente), gezupfte Cister (eine Art Laute), Saiteninstrumente wie Hackbrett oder die historische Drehleier, dies alles gewürzt mit verschiedensten Rhythmusinstrumenten sowie der witzigen Maultrommel («Trümpi») brachten in verschiedenen Formationen eine bunte, unterhaltsame Mischung kunstvoller und urwüchsiger Klänge dar.

Felicia Kraft, Gesang, bot mit ungekünstelter, hübscher Stimme und gewinnender Ausstrahlung alte Trink- und Liebeslieder dar. Ein berührendes Schlaflied, friedliche Nachtwächterrufe mit Segenswünschen zur Uhrzeit und aus aktuellem Anlass(?) wurde die historische Schnitzelbank eines Bänkelsängers dargeboten mit eigenem, witzigen Vers zum Paradies von Urs Klauser, dem Dudelsack- und Cisterspieler. Daniel Som spielte auf Flöten, Schalmei und Drehleier, Lea Zanola merkte man ihre Spielfreude am Hackbrett an. Andrea Brunner und Andreas Cincera spielten mit hohem Können ihre Streichinstrumente in hoher und tiefer Lage, und wie alle spielte auch Daniel Affentranger seine Blasinstrumente alter und neuer Art mit Fantasie und Improvisationstalent. Verschiedene Mitglieder von Tritonus zeichneten für die pfiffigen musikalischen Arrangements mit alten und neuen Stilelementen und entsprechendem Unterhaltungswert.

Unter dem Titel Urbanus, dem neusten Programm des Ensembles, das sich schon seit bald 40 Jahren der mittelalterlichen Musik verschrieben hat, folgte man dem imaginären Rundgang eines Nachtwächters durch eine Schweizer Kleinstadt Mitte des 16. Jahrhunderts. Spielleute spielten in Tavernen zu Gesang und Tanz auf, entsprechend deftig derb waren zum Teil die Texte, archaisch bzw. rhythmisch spannend die Tänze mit asymmetrischen Taktarten, die bis in ekstatisch ausgelassene Musik mündeten. Mit gespenstischer Abgründigkeit liess ein (Basler?) Totentanz das Publikum erschauern.

Lag es an der erhabenen barocken Ausstattung der Kirche oder den persönlichen Eigenheiten der (männlichen) Musiker? Trotz überlegenem Können liess sich ihrer Mimik auch bei fröhlicher Tanzmusik keine unbeschwerte Spielfreude ablesen, grosse Ernsthaftigkeit bis zu grimmigem Gesichtsausdruck liessen etwas von der Leichtigkeit des Seins (von Schweizern?) vermissen.

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten, 15. Februar 2023

Kunstfertigkeit mit welschem Charme

Weihnachtliche Konzerte sind beliebt. Wie immer ist Ende Dezember in der wunderschön geschmückten Klosterkirche Paradies jeweils ein Blechbläserensemble zu Gast, das viele Besucher anzieht.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Die fünfköpfige ­Geneva Brass Band bot in der Klosterkirche Paradies ein viel­fältiges Musikerlebnis.

 

Vor drei Jahren trat in der Klosterkirche die Geneva Brass Band schon einmal mit grossem Erfolg auf. Kürzlich feierten die fünf Blechbläser das 20jährige Bestehen ihres Ensembles: Baptiste Berlaud und Lionel Walter (Trompeten/Flügelhorn), Christophe Sturzenegger (Horn/Alphorn/Komposition), David Rey (Posaune) und Eric Rey (Tuba). Alle besitzen einen Masterabschluss der Musikhochschule Genf und pflegen eine internationale Konzerttätigkeit. Vor dem Hintergrund der prächtigen Barockaltäre sind ihre gold- und silbergleissenden Instrumente jeweils nicht nur eine Ohren- sondern ebenso Augenweide.

Ihre vielseitigen Konzertprogramme führen durch die verschiedensten Musikstile von klassischer Kunstmusik bis zu jazzigem Pop, die sie mit erfrischendem französischem Akzent kommentieren und dabei jeden der Musiker zu Wort kommen lassen. Ihr gegenwärtiges Programm steht unter dem Motto «Réjouissances à tout vent», was etwa heisst: Vergnügungen aus allen Windrichtungen, oder im übertragenen Sinn: Musik verschiedener Stile aus aller Herren Länder und last but not least auch aus der Schweiz.

Am Mittwochabend durften zwei ihrer Hits nicht fehlen: aus aktuellem Anlass «Christmas Crackers» als raffiniertes Weihnachtsmelodien-Potpourri aus England, Amerika und Frankreich, das mit dem gesungenen «We Wish You a Merry Christmas» gipfelte, sowie das gekonnt arrangierte, melancholische Schweizer Guggisberglied als wunderbar voll klingendes, zu Herzen gehendes Instrumentalstück.

Vielseitige Musiker

Den Anfang ihrer musikalischen Weltreise machte ein kanadisches Hochzeitslied in wiegendem Rhythmus, welches sich zu einem fröhlichen Melodien-Potpourri von hoher Virtuosität steigerte. Einen grossen Auftritt hatte der Hornist auch als Alphornspieler in einer kunstvollen modernen «Alpenmusik» des Schweizer Komponisten Kurt Sturzenegger. Als Hommage an Ludwig van Beethoven war dessen dreisätziges Bläserquintett in Es-Dur im musikalisch überzeugenden Arrangement für Blechbläser von Bruno Peterschmitt gedacht, wo das Ensemble zeigte, dass es sich auch in der klassischen Musik zuhause fühlt. Gemäss einem biografischen Roman über den russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch unter der damaligen stalinistischen Schreckensherrschaft, schrieb Christophe Sturzenegger eine einfühlsame Komposition im frei tonalen Stil für sein Quintett, es wurde zu einer packend eindrücklichen Darbietung. Und noch risikofreudiger war das faszinierende Jazzstück «Fly or Die!» – Flieg oder stirb! – des jungen Walliser Komponisten Gilles Rocha, in dem sich der Posaunist David Rey mit atemberaubender Kunstfertigkeit bewies. Fetzige, mitreissende Musik spielten sie als vorzügliche Jazzmusiker mit dem Ragtime-Dixieland «That’s a Plenty» und drei Charlestons im New-Orleans-Stil mit zündendem Drive und Präzision, wo sie sich auch als Showmen profilierten (einen grossen Teil des Programms spielten sie auswendig ohne Noten) – umgeben von vier wunderschönen Christbäumen und barocker Krippe. Und wären der ­Genüsse nicht schon genug: Das Ganze wurde versüsst mit duftendem Glühwein und Christstollen während der Pause im Freien. Jazzige Zugaben mit heissem Klezmer-Sound und einem sanften English Waltz beschlossen das vielfältige Gesamtkunstwerk.

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten, 31. Dezember 2022

Zündende Musik mit Vollblutmusikanten

Die Musiker des Quartetts "Consonances" sowie Christdoph Honegger mit der Panflöte zogen bei ihrem Auftritt in der Klosterkirche Paradies alle in ihren Bann.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Heissblütige Volksmusik aus Osteuropa, Musik der Roma und jüdische Klezmermusik wurden mitreissend vom Quartett «Consonances» am Sonntagabend in der Klosterkirche Paradies dargeboten.

 

Das musikalische Schaffhauser Multitalent Désirée Senn und die Musikerin Rebekka Weber, Organistin an der reformierten Zwinglikirche in Schaffhausen (sie teilt mit Désirées Schwester Stefanie die Orgelstelle) kennen einander seit ihrer Jugend und hatten sich gemeinsam immer für die leidenschaftliche Musik der osteuropäischen Strassenmusiker begeistert. Auf diesem Weg lernten sie auch das exzellente Musikerehepaar Flora Thalassa Kovac (Violine und Gesang) und den slowakisch- stämmigen Cymbalspieler Ludovit Kovac kennen, die beide aus Musikerfamilien stammen und mit ihren drei Kindern in Strassburg wohnen. Auch in der sakralen Atmosphäre der barocken Klosterkirche brachten es die temperamentvoll Musizierenden letztlich fertig, das anfänglich eher distanzierte Publikum in den steifen Bänken zu begeistertem Mitklatschen zu bringen. Am liebsten wäre man aufgestanden, um sich zur Musik zu bewegen. Man konnte sich dem spielfreudigen Temperament der seit Jahren aufeinander eingespielten MusikerInnen kaum entziehen.

Echte Multitalente

Als Stehgeigerinnen und mit zu Herzen gehendem Gesang überboten sich Désirée Senn und Flora Thalassa mit instrumentalem Können an Virtuosität, hinreissendem Temperament, Musikalität und dem Schmelz von wehmütigen, sentimentalen Melodien. Obwohl sie ursprünglich aus dem traditionellen Klassikfach kommen, spielten sie aus ihrem unerschöpflichen Repertoire ohne Noten frisch von der Leber weg, wie es für echte Zigeunermusiker und urwüchsige Volksmusikanten vormachen. Somit wirkte das Konzert bei aller Kunstfertigkeit unakademisch und spontan ganz aus dem Moment heraus. (Stilistische Randbemerkung: Die barocke Improvisationskunst verschwand in der klassisch/romantischen Musikerausbildung des 18. und 19. Jahrhunderts fast gänzlich, da hier alles bis ins letzte Detail ausnotiert wurde. Erst mit der experimentellen Musik unserer Zeit fasste die musikalische Freiheit, dafür totaler als je zuvor, wieder Fuss).

Grossartige Musikerinnen und Musiker

Ludovit Kovac ist ein anerkannter Spezialist auf seinem Cymbal (Zimbal) mit Volksmusik aus der Slowakei, Mähren, Serbien, Rumänien, Ungarn, Bulgarien, Weissrussland. Das verwandte Hackbrett ist aus der Appenzeller Volksmusik oder der alpenländischen Volksmusik Österreichs bekannt. Er brillierte in virtuosen Soli und gab dem Ensemble das typisch osteuropäische Klangkolorit. Rebekka Weber legte auf ihrem E-Klavier rhythmussicher den harmonischen Boden, indem sie die Tempowechsel stützte, wo frei ausgespielte, ruhige meditative Teile unvermittelt in schnelle Tanzsätze übergingen. Auch sie strahlte Spass beim Musizieren aus. Jüdische Klezmermusik, «MusiqueTzigane» («Zigeunermusik») der Fahrenden zwischen verschiedenen Kulturen und Volksmusik aus dem Balkan, wo viele Roma in Rumänien (Romania) leben, standen im Schmelztiegel musikalischer Einflüsse auf ihrer Wanderschaft. Die Solistinnen sangen rumänisch, russisch und im Sprachgemisch der Roma. Als «Special Guest» gesellte sich auch der musikalische Tausendsassa Christoph Honegger mit der Panflöte dazu, zugleich künstlerischer Leiter der Konzertreihe, katholischer Kirchenmusiker im Raum Schaffhausen und Leiter der Schaffhauser Musikschule des SMPV, Chorleiter und Lehrer für Orgel und Panflöte. Mit dem Zusammenspiel erfüllte er sich einen Herzenswunsch. Sein gekonntes Spiel rumänischer Volksmusik durfte sich wahrlich hören lassen – ein Genuss für alle, Spieler und Zuhörer.

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Bote vom Untersee und Rhein, 25. November 2022

Eindrückliche Rosenkranzsonaten

Quasi wie zum Rosenkranzmonat Oktober der Katholischen Kirche spielten Les Passions de l’Âme mit ihrer künstlerischen Leiterin/Geigerin Meret Lüthi aus Bern in der Klosterkirche Paradies.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Die stimmungsvolle barocke Kirche Paradies bot am Sonntagabend einen idealen Rahmen für die spirituellen geistlichen Sonaten des böhmischen Musikers Heinrich Ignaz Franz Biber (1644–1704), der als gefeierter Violinvirtuose und Hofmusiker grösstenteils in Salzburg tätig war. Er komponierte auch ein umfangreiches Œuvre mit geistlicher Musik, Opern und Instrumentalstücken, von dem heute leider nur noch wenig überliefert ist. Legendär sind seine beiden monumentalen, bis zu 53stimmigen, mehrchörigen Messen (die «Brüsseler» und die Salzburger Messe), welche noch bis vor Kurzem dem Italiener Orazio Benevoli zugeschrieben wurden.

Bildhafte Rosenkranzsonaten

Je fünf freudenreiche, schmerzhafte und glorreiche Sonaten zu Ehren der Jungfrau Maria und eine Schutzengelsonate hatte Biber geschrieben. Sie sind mit bildlichen Titeln überschrieben gemäss der am Anfang von jeder Sonate gedruckten Vignetten in der Handschrift der Partitur (im Archiv der Münchner Nationalbibliothek). Meret Lüthi liess sich von ihnen für ihre musikalischen Interpretationen inspirieren. Somit hoben sich die Geigensonaten mit Generalbassbegleitung durch eine zusätzliche Dimension überzeugend von den gängigen Interpretationen anderer Musiker ab, die sich oft in leerer Virtuosität ergehen. Die renommierte Spezialistin für Alte Musik und bravouröse, fantasievolle und empfindsame Interpretin erweckte sie mit inspirierender Ausstrahlung zu frischem Eigenleben, der deutsche Gambist Matthias Müller und die lettische Organistin Ieva Saliete waren ihr zwei kongeniale Partner. Es war beglückend, wie sich die drei mit sichtlicher Spielfreude ergänzten und zuspielten.

Ungewöhnliche Kompositionen

Allein schon die Art und Weise der Verwendung der Violine ist ungewöhnlich. Sie spielte auf einem kostbaren historischen Instrument von Jacobus Stainer, einem mit Biber befreundeten Geigenbauer. Für jede der Sonaten soll die Geige in eine sogenannte Scordatura umgestimmt werden: Üblicherweise im Quintabstand GDAE, erhielten die Saiten nun andere Tonhöhen mit verschiedenen Quint-, Quart- und Terzabständen, welche das Spiel gewisser Ton­­- arten oder virtuose Mehrfachgriffe besser ermöglichen. Dadurch gewinnt jedes Stück eine eigene Farbe und Charakteristik. Meret Lüthi meisterte die kniffligen Gegebenheiten mit Bravour. Sie brachte die fünf freudenreichen Sonaten mit den Titeln «Die Verkündigung», «Die Heimsuchung» (Maria und Elisabeth), «Die Geburt Christi», «Die Darstellung im Tempel» (Simeon und Hanna) und «Die Auffindung im Tempel» (der jugendliche Jesus bei der Schrift­auslegung) zur Aufführung.

Die Musikerin breitete mit ihrer sprechenden und lebendig differenzierten, persönlichen Auffassung einen bunten Bilderbogen aus, der jeden Zuhörer mit einem Kopfkino par excellence erfreute. Gerne hätte man sich ihre munteren Erläuterungen nicht nur zu Beginn des Konzertes, sondern die Titel noch einmal zur Erinnerung zu den Stücken gewünscht. Als heiterunbeschwerte Zugabe im kreativen, lustvollen Zusammenspiel erklang die Ciacona aus der Sonate XIV «Die Himmelfahrt Mariae». Man darf sich auf die Doppel-CD von Les Passions de l’Âme mit allen Rosenkranzsonaten freuen, die nächstens auf dem Schweizer Label Prospero erscheinen wird.

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten, 24. Oktober 2022

Farbige Vertonungen von Märchen und Mythen

Die fünf Musiker boten ein märchenhaftes Konzert.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Die fünf jungen Musiker Coline Richard, Querflöte, Moritz Roelcke, Klarinette, Gabriel Potier, Horn, Jeremy Bager, Fagott, und Yann Thenet, Oboe, musizierten in der Klosterkirche Paradies als «Ensemble Astera» auf hohem Niveau wie aus einem Guss. Ihre farbig gestalteten Interpretationen liessen spieltechnisch und musikalisch keine Wünsche offen. Das Wiederhören bekannter Klavier- und Orchestermusik in den überzeugenden Arrangements für Bläserbesetzung des deutschen Flötisten Joachim Linckelmann führte zu reizvollen Aha-Erlebnissen.

Edvard Grieg (1843–1907) vertonte das dramatische Gedicht von Henrik Ibsen nach einer norwegisch überlieferten Abenteuergeschichte als romantische Musik. Seither wurden Sätze aus seiner «Peer Gynt»-Suite zu Hits sowohl in klassischen Konzerten als auch in der Film- und Popmusik. Vielschichtige Farben kamen zum Ausdruck: lyrisch strahlend die «Morgenstimmung», das düstere ­Motiv von «Aases Tod» (Tod der Mutter), «Anitras Tanz» (die verführerische Geliebte Peer Gynts) und der sich zum wilden Tanz steigernde Marsch «In der Halle des Bergkönigs».

Wer kennt sie nicht? Das Dornröschen, der kleine Däumling, die Schöne und das Biest – die französischen Märchenmotive von Charles Perrault verbreiteten sich auch mit deutschen Märchensammlungen. Maurice Ravel (1875–1931) liess sich unter dem Titel «Contes de ma mère l’Oye» (Erzählungen der Gans, meiner Mutter) zauberhafte m­u­sikalische Impressionen einfallen. Anschaulich erschienen vor dem inneren Auge die träumende Prinzessin, der leichtfüssig trippelnde Winzling und die anmutige Belle angesichts des furchterregenden Ungeheuers. «Die Kaiserin von den Pagoden» tanzte einen graziösen Walzer, und in der bildlichen Fantasie tauchten verwunschene Schlösser und Gärten auf.

Der jung verstorbene Kunstmaler und Architekt Viktor Hartmann war ein ­enger Freund von Modest Mussorgski (1839–1881). Der russische Komponist liess sich von dessen Gemäldeausstellung zu einem schwergewichtigen Klavierwerk inspirieren, das später durch eine Umschrift für grosse Orchester­besetzung von Ravel zu allgemeiner ­Bekanntheit gelangte. In Linckelmanns gelungener Fassung für Bläserensemble war der musikalische Bilderbogen gleichwohl von ansprechendem Reiz. Das Werk ist typische «Programm­musik», eine klangmalerische Vertonung szenischer Vorlagen, in diesem Fall die «Bilder einer Ausstellung». Ein wiederholt auftretendes, mehrfach variiertes musikalisches Thema, die nachdenkliche «Promenade» des Ausstellungsbesuchers, verbindet wie ein roter Faden die Fantastereien. Es erscheinen das skurrile Zerrbild eines Gnomen, eine düstere Burgansicht, das französisch leichte Lebensgefühl bei den Pariser Tuilerien, ein schwerer Ochsenkarren im Trauermarsch, ein «Ballett der ­unausgeschlüpften Küken» im virtuosen Gewusel, das Streitgespräch zweier Juden von arm und reich, ein emsiger Marktbetrieb in Limoges (in höchster Präzision dargeboten), düstere Katakomben, der verstörende Hexenzauber der Baba Jaga – und letztlich als feierliche Überhöhung «Das grosse Tor von Kiew» mit Anklängen an altrussische ­liturgische Gesänge. Mit der Zugabe eines ungarischen Saltarellos von ­Ferenc Farkas, einem munteren Sprungtanz, schloss das kurzweilige Konzert.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten, 27. September 2022

Anders als andere Trios

Das Trio "Anderscht" spielte hinreissend.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Die Konzertreihe jährte sich dieses Jahr zum 19. Mal. Im letzten Konzert dieser Saison letzten Sonntag konnte der künstlerische Leiter Christoph Honegger in der Klosterkirche Paradies die 10'000, 9999 und 10'001 Besucher mit einem kleinen Präsent begrüssen. Es war Full House.

Das Markenzeichen des Trios aus dem Appenzeller Land ist Programm, sie spielen in jeder Beziehung «anderscht» als andere: die Vollblutmusiker Andrea Kind und Fredi Zuberbühler auf ihren Hackbrettern und der grossartige Jazzer Roland Christen mit seinem Kontrabass. Höchst virtuos dargebotene Appenzeller «Stubemusig und Zäuerli» sind dabei nur der Aufhänger für musikalische Exkurse in Stilbereiche des Jazz und der Zigeunermusik, zu brasilianischen Bossa Nova-Rhythmen, Latin Rock von Carlos Santana und Tango Argentino von Astor Piazzolla, Soundtracks von bekannten Kriminalfilmen bis zu Hazy Osterwalds köstlich interpretiertem Kriminaltango sowie feuriger spanischer Flamencomusik von Isaac Albéniz. Einen farbigen stilistischen Kontrast bildete die  Rückbesinnung auf wunderschöne französische und deutsche Barockmusik des 18. Jahrhunderts von Jean-Philippe Rameau und Johann Sebastian Bach.

Zuschauer waren restlos eingenommen

            Ansteckende Musizierfreude des Trios, unwiderstehlicher Charme seiner Darbietungen mit neckischer Ausstrahlung versetzten die faszinierten Zuhörer vom ersten Ton an in eine gute Stimmung und nahmen sie restlos für sich ein. Das phänomenale Können, die berührend empfindsame Musikalität und das mitreissende Temperament liessen die begeisterten Zuhörer kaum stille halten – ansprechend war auch das hübsche Erscheinungsbild mit Appenzeller Tracht und Gipsy-Look.     

Fredi Zuberbühler hatte den Bau ihrer Hackbretter weiterentwickelt und sie auf den Tonumfang von fünf Oktaven erweitert, ein Dämpfermechanismus verleiht ihnen neue klangliche Möglichkeiten. Jazzige «Blue Notes» und Perkussionsinstrumente ergaben dazu die reizvolle Würze, und Fredi Zuberbühler bereicherte das Programm mit seiner Mundharmonika. Die raffinierten Arrangements stammten von ihnen selbst Für einen Kompositionswettbewerb schrieb Roland Christen «De Drache vom Säntis» mit ekstatischer Schlusssteigerung. Wunderschöne Schlusswendungen bewiesen ein hohes Einfühlungsvermögen.

            Andrea Kind ist ein Temperamentsbündel mit atemberaubender Technik. Im Austausch neckischer Blicke und Gesten zeigte sie wie Fredi Zuberbühler ein feines komödiantisches Talent. Roland Christen unterstützte sie mit seinem groovendem Bassspiel mit grossartigen Soloeinlagen. Verinnerlichte Ruhepunkte bildeten der abgeklärt gespielte Bachchoral «Jesus bleibet meine Freude» und das «Air» aus einer Orchestersuite von Bach, die letzte Zugabe nach heisser Klezmer Musik. Stehende Ovationen und ekstatischer Applaus belohnten das einmalig originelle Konzert.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Bote vom Untersee und Rhein, 18. März 2022

Strahlendes Duo der Wiener Klassik

Das Fiorini Quartett spielte am Sonntag in der Klosterkirche Paradies mit Schubert und Beethoven Wiener Klassik vom Feinsten.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Befreiende Frühlingsgefühle lassen wieder aufblühen – mit den ersten Frühlingsboten im Garten fielen endlich die lästigen Pandemiemasken in öffentlichen Veranstal- tungen. Am Sonntag interpretierten die vier brillanten Musiker Piotr Baik und Christian Müller, Violinen, Ricardo Gaspar, Viola, und Anna Tyka-Nyffenegger, Violoncello, vom Fiorini Quartett in wunderbarer Musikalität Streichquartette von Ludwig van Beethoven (1770–1827) und Franz Schubert (1797–1828). Infolge einer kurzfristigen Programmänderung wurde Wolfgang Amadeus Mozart nicht gespielt, der dem Dreigestirn berühmter Schlüsselfiguren der Wiener Klassik gleichwohl angehört.

Der Name des musizierfreudig auftretenden Streichquartetts leitet sich von Giuseppe Fiorini her, einem italienisch/deutschen Geigenbauer des 19./20. Jahrhunderts, der im Jahr 1930 seine Sammlung kostbarer Stradivari-Instrumente dem Musikinstrumentenmuseum der Geigenbauerstadt Cremona vermachte. Piotr Baik spielte auf einer herrlich klingenden Fiorini-Geige. Alle vier Musiker sind Teil von renommierten Orchestern und Ensembles und haben einen Bezug zum Sinfonieorchester St. Gallen.

Mit Bezug auf Mozart

Beethoven schrieb in Lauf seines Lebens 16 Streichquartette. Sechs davon des Op. 18 aus dem Jahr 1799 gelten als Frühwerke, die noch stark unter dem Einfluss von Mozart und Haydn stehen. Hier erklang das fünfte in A-Dur mit einem direkten Bezug auf Mozart. Das Fiorini Quartett gestaltete es temperamentvoll zugriffig und mit melodiöser Gesanglichkeit, spritzig leicht ohne übertriebenes Pathos, mit schlanker Tongebung und farbigen Facetten. Das durchsichtige, homogene Zusammenspiel liess keine Wünsche offen.

Franz Schuberts breit angelegtes Streichquartett «Der Tod und das Mädchen» aus dem Jahr 1824 gilt als «Spätwerk» des Frühvollendeten, der bereits mit 31 Jahren an einer Infektionskrankheit starb – noch jünger als Mozart mit seinen kaum 36 Jahren – und nach neueren Forschungen an derselben Todesursache. Der Titel des gehaltvollen Werks lehnt sich an das gleichnamige Schubert-Lied über einen Text von Matthias Claudius an. Es steht in düsterem d-Moll und zeugt von der tragischen ­Lebensphase des erkrankten Komponisten. Verzweiflung, trotzige Dramatik, nachdenkliche Versonnenheit und auch wienerische Melodienseligkeit prägen das hintergründige Werk.

Zu Berühmtheit brachte es der verinnerlichte Variationensatz im Charakter eines verhaltenen Trauermarschs, den die Musiker mit vollendeter Schönheit und sensibler Empfindsamkeit darboten. Das folgende Scherzo wechselte zwischen entschlossener Durchsetzungskraft und lieblicher Melodik. Zum grossartigen Finale wurde das hoch­virtuose, mit höchster Präzision in atemberaubendem Tempo vorgetragene Presto mit vielen farbigen Details, sodass einem Hören und Sehen verging.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten, 22. Februar 2022/ Bote vom Untersee und Rhein, 25. Februar 2022

Ein festliches Blechbläser-Feuerwerk

Angesichts goldschimmernder Altäre inmitten festlich erleuchteter Christbäume genoss ein zahlreiches Publikum am Dienstagabend das Konzert des Gstaad Festival Brass, welches keine Wünsche offen liess.

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Sie bedienten sich keiner anbiedernden Showelemente in der festlichen Klosterkirche. Ihre mitreissende Musik, sachlich sympathisch kommentiert, sprach für sich allein. Die fünf hoch qualifizierten Bläser in klassischer Quintettbesetzung: Immanuel Richter und Jean-François Michel mit Trompeten verschiedener Tonlagen, Olivier Darbellay, Horn, Vicente Climent Calatayud, Posaune, und Daniel Schädeli, Tuba, musizierten Bläsermusik vom Feinsten. Strahlend sauber und differenziert abgestuft leiteten sie das Konzert ein mit vier Sätzen aus Georg Friedrich Händels barocker Wassermusik in einer Transskription für Bläser. Daraufhin switchte Händels berühmtes «Hallelujah» nach der originalen Einleitung zu jazzig heissen Klängen von «O when the Saints go marching in» (mit stupendem Posaunensolo) in der genialen Bearbeitung für das Canadian Brass des amerikanischen Arrangeurs Luther Henderson.

 

Stimmungsvolle Musik

Drei für Blechbläser arrangierte, gekonnt gespielte doppelchörige Tanzsätze von Samuel Scheidt führten zurück in die Stilepoche zwischen Renaissance und Barock. Reizvoll war der Wechsel zwischen spielfreudiger Musik mit Tempowechseln und einer melancholisch sanften Trauermelodie. Einen pfiffigen Kontrast bildeten die drei mitreissend gespielten südamerikanischen Tänze: «Vals peruano», Bossa Nova und ein Ragtime in der Originalbesetzung für Brassquintett von Enrique Crespo. In der elisabethanischen Epoche um 1600 verortet waren drei fröhliche, stilecht dargebotene Sätze von Giles Farnaby, die aus einer Suite für Virginal (Cembalo) für Blechbläser umgeschrieben wurden.

Und natürlich durfte der grosse Barockkomponist Johann Sebastian Bach nicht fehlen! Die innige Altarie «Schafe können sicher weiden» aus der Jagdkantate BWV 208, in einer Umbesetzung für das Ensemble mit zwei Flügelhörnern, verbreitete als liebliche Hirtenmusik weihnachtliche Stimmung. Der «Well-Tempered Bach» von Luther Henderson erwies sich hingegen als ein kunstvoll arrangierter, fetziger Dixieland Jazz mit Drive und Witz in Anlehnung an eine bekannte Orchestersuite von Johann Sebastian Bach. Die Zuhörer reagierten mit begeistertem Applaus. Die Musiker verdankten ihn mit einem Traditional New Orleans Funeral (einstmals ohne Political Correctness als «Negerbegräbnis» bezeichnet). Im fröhlichen, tänzerischen zweiten Teil dieses fulminanten Dixies profilierte sich nach der getragenen Einleitung jeder Musiker mit einem hinreissend gespielten Solo. Eine weitere Zugabe war von besinnlicher Art. In einem Appenzeller Notenbüchlein der Musikgesellschaft Hundwil aus dem Jahr 1844 fand das Ensemble die schlichte Liedmelodie eines anonymen Komponisten. Mit sanften, ruhigen Klängen von Flügelhörnern, Horn, Posaune und Tuba verabschiedeten die Musiker das sich zu Ende neigende alte Jahr

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten, 30. Dezember 2021/ Bote vom Untersee und Rhein, 5. Januar 2022

Tief berührendes Musiktheater

Christine Lather und Felix Huber in ihrer ausdrucksstarken Performance in der Klosterkirche Paradies über die Lyrikerin Silja Walter. - BILD BARBARA BINZEGGER

 

Die Schauspielerin und Sängerin Christine Lather lebte für zwei Wochen zusammen mit den Nonnen im Kloster Fahr, um das Leben der bekannten Lyrikerin Silja Walter mit ihrem ausdrucksstarken Spiel darstellen zu können. Der grossartige Pianist und Improvisator Felix Huber schuf zum Theaterstück «Ich habe den Himmel gegessen» eine wunderbare musikalische Plattform.

Der Musiker setzt sich ans Instrument, das Licht verlöscht. Es ist für eine Weile stockdunkel und mucksmäuschenstill in der Kirche. Leise Schritte nähern sich aus dem Off von hinten. Es wird hell, eine Frau mit ausdrucksvollem Gesicht im schlichten, grauen langen Kleid steht auf der kleinen Bühne vor dem Altar. Die Regie von Lilian Naef und Eva Mann, Kostüme von Heiner Widemann sowie Licht & Ton von Walter Fuchs bringen das Einpersonen-Theaterstück in der stimmungsvollen Barockkirche des ehemaligen Klarissenklosters wunderbar zur Geltung. Christine Lather schöpfte aus dem reichen Oeuvre der Gedichte und Aufzeichnungen der Dichterin. Felix Huber vertonte sie zu anrührenden Liedern aller Art, er improvisierte Zwischenspiele am Klavier im Dialog mit der Schauspielerin oder präparierte das Instrument für stimmige Geräuschkulissen.

 

Die Geschichte einer Nonne

Silja Walter (geb. 1919 in Rickenbach bei Olten, gest. 2011 als benediktinische Ordensschwester im Kloster Fahr) wuchs als ein lebenslustiges junges Mädchen in einer bürgerlichen, kinderreichen Familie zusammen mit sieben Schwestern und dem Bruder Otto F. Walter (Verleger und Schriftsteller) auf. Sie tanzte gern (hier auch auf der Bühne), hatte einen Freund während ihres Studiums der Literaturwissenschaften. Bereits mit 25 gewann sie mehrere Kulturpreise für ihre Gedichte – bis sie «der Ruf» ereilte, und sie am Passionssonntag 1948 mit 29 ins Kloster eintrat. Es war eine harte Schule, um Demut (Bildung unerwünscht) und Verzicht auf Erfolg und Eitelkeiten zu lernen, Selbstverleugnung in der Nachfolge Christi, den durchorganisierten Tagesplan der Klosterregel («… so früh wie die Nonnen das Morgenlied singen, kräht kein anständiger Hahn!»), im Gefängnis der Klosterzelle ohne eigenen Besitz, und schmutzige Arbeit zu verrichten. Die Reise ins Innere führt zu innerer Leere und während dreier langer Jahre zur Unfähigkeit zu schreiben. Diskussionslos will der Beichtvater «die eingeklemmte Schublade» herausziehen. Sie ist verstrickt in sich selbst, sich fremd geworden. Ihr Schleier erinnert sie an eine mittelalterliche Kriegerhaube (das Anlegen der Kopfbedeckung wird gezeigt). Tötet Gott?

 

Wer sucht, der findet

Unerwartet traf sie das Licht des leidenden Christus, der als Mensch geboren wurde. Sie tanzte im Verborgenen zu «Jesu meine Freude» von Bach, die Messgebete wurden zu Liebesgedichten («Ich sprach mit meinem Engel. Ich werde das Heilig, heilig, heilig singen in meiner Sprache von Ewigkeit zu Ewigkeit»). Sie ist zur spirituellen Mystikerin geworden. Felix Huber überreicht Christine Lather alias Silja Walter eine brennende Kerze. Doch neben Euphorie auch schwere Glaubenszweifel, Depressionen. Sie wird alt und gebrechlich und erinnert sich an das Frühlingsglück ihrer unbeschwerten Jugend – Himmel aussen, Himmel innen. «Jemand muss Ausschau halten nach dir, wenn du kommst … es hat keinen Sinn, noch lange zu warten.» Sie strahlt. Klaviermusik über Johann Sebastian Bachs «Jesus bleibet meine Freude». Es ging unter die Haut, rührte zu Tränen – ein einmaliges, ausdrucksstarkes Erlebnis.

 

Gisela Zweifel - Bote vom Untersee und Rhein - 19. November 2021

 

Musikalische Vielfalt: Jazziger Sound in alten Mauern

BILD BARBARA BINZEGGER

 

Rudi Katholnig (Akkordeon) und Hans-Peter Steiner (Sopransaxofon) kommen aus Kärnten und bezauberten am Sonntag in der Klosterkirche Paradies ihr Publikum als eigenwillige Jazzmusiker mit unbegrenzter Fantasie und ebensolchem Können. Als professionell ausgebildete Musiker scheuen sie auch musikalisch keine Schranken. So war es kaum ­erstaunlich, dass sie sich nicht nur in ihrer Heimat, sondern auch von der ­Musik des Balkans, von Nord- und Südamerika bis Indien für ihre Bearbeitungen, Improvisationen und Eigenkompositionen inspirieren liessen. Das spontan agierende Duo spielt seit sechs Jahren zusammen. Es verbreitet gute Laune und ist mittlerweile in aller Welt unterwegs. Daneben hat es eine interessante CD unter dem vielversprechenden Titel «First Inspirations» aufgenommen.

 

Voller Überraschungen

Wow! Was für ein toller Sound! Die ­geschmeidig gespielten und fantasievoll verjazzten Stücke entfalteten sich und schwebten im Raum über den staunenden Zuhörern. Das ohne Gedankenstütze durch Noten perfekt aufeinander eingespielte, farbige Programm reichte vom meditativen Sonnenaufgang auf einem einsamen Berggipfel bis in die höheren Sphären des Weltraums voller Überraschungen, von rhythmisch mitreissender Volksmusik aus dem Balkan bis zum charmanten französischen, ­virtuos weiterentwickelten Musette-Walzer mit passender Klangfarbe des Akkordeons, oder dem Arrangement eines französischen «Blues» aus der ­Feder des prominenten französischen Jazzmusikers Richard Galliano. Mit sichtlichem Spass erklang auch eine Komposition über ein fröhliches «Teej», das indische Volksfest der Frauen und Kinder – um den Horrornachrichten von der Misshandlung indischer Frauen entgegenzuwirken. Dann führte die Reise nach Lateinamerika mit der ­Bearbeitung eines Samba des bekannten brasilianischen Musikers Hermeto Pascoal.

 

Schwerpunkt Astor Piazzolla

Und immer wieder die wunderbare, tief empfundene Musik des argen­tinischen Tango-Nuevo-Komponisten Astor Piazzolla, dessen Geburtstag sich dieses Jahr zum hundertsten Mal jährte – mit einer stilvollen Eigenkomposition von Rudi Katholnig (das Akkordeon als idealer Ersatz für das Bandoneon) in seiner Hommage «Tango for Astor», worin das Wesen dieser Musik wunderbar zum Tragen kam. Des Weiteren war die Bearbeitung eines ausdrucksvollen, melodiösen «Milonga Tango» von Piazzolla voller spannender Harmonik und reich an wunderschönen improvisatorischen Umspielungen.

Letztlich wollte die Begeisterung der unvoreingenommen aufgeschlossenen Zuhörer kein Ende nehmen. Sie wurde mit Dave Brubecks Bravourstück für das Saxofon – «Take Five» im exklusiven Fünfvierteltakt – als Zugabe belohnt, und – wie anders? – mit einer zweiten, besinnlichen Zugabe von Astor Piazzolla.

 

 

Gisela Zweifel - Schaffhauser Nachrichten - 26. Oktober 2021

 

Alte Musik stilgerecht gespielt

Das Ensemble Il Desiderio spielte Musik aus dem Frühbarock. BILD BARBARA BINZEGGER.

 

Hans-Jakob Bollinger brachte mit seinem Ensemble Il Desiderio in Kleinformation exklusive ­Musik des Frühbarocks in die Klosterkirche Paradies – und das mit einem ganz besonderen Ins­trument.

Der Zink, ein nach Bauweise und Klang historisches Zwitterblasinstrument zwischen Blockflöte und Trompete, stand im Zentrum des stilreinen Programms am Sonntag in der Klosterkirche Paradies. Hans-Jakob Bollinger, mit Wurzeln in der Region Schaffhausen, gilt als international begehrter ­Spezialist dieses Instruments. Ebenso kenntnisreich standen ihm der Organist Daniel Rüegg und der Lautenist Juan Sebastiàn Lima mit seiner Theorbe, einer Basslaute mit langem Griffbretthals und zwei Wirbelkasten, zur Seite. Die drei haben sich mit Begeisterung der musikalischen Aufführungspraxis des 16. und 17. Jahrhunderts verschrieben. Sie folgten einer Einladung Christoph Honeggers, dem künstlerischen Leiter der beliebten Veranstaltungsreihe in der Klosterkirche Paradies, um die 19. Saison zu eröffnen.

Verschiedene Ausformungen

Als musikalische Besetzung einer ­Solostimme wurden in der damaligen Zeit verschiedene Varianten empfohlen: Gesang, Violine, Flöte – oder Zink «… ovvero Cornetto», (mit Cornetto ist nicht das moderne Blechblasinstrument Kornett gemeint!). Zinkenisten galten als hoch angesehene, bestbezahlte Musiker, die dieses spieltechnisch schwierige Instrument beherrschten, das mit seinem hohem Klangregister Frauenstimmen, die nicht öffentlich singen durften, und männliche Altusstimmen ersetzen konnte.

Das sonderbare Instrument aus Holz mit Grifflöchern und Kesselmundstück gibt es in gerader oder gekrümmter Bauweise. Der erstere «stille Zink» klingt voller und weicher für liebliche, sanfte Melodien wie das «Ave verum corpus» von Palestrina. Das Timbre des zweiten ist schärfer und entspricht dem einer Trompete, doch beide ermöglichen eine höchste Beweglichkeit für virtuose Auszierungen. Zu hören war faszinierende Kammermusik von unbekannten Komponisten wie Diego Ortiz, den ­Italienern Bartolomeo Barbarino, Bernardo Storace, Giovanni Battista Riccio, Gioseffo Guami, Benedetto ­Ferrari, oder Philippe van Wichel und Johann Pezelius aus Flandern bzw. Deutschland, daneben von vertrauteren Namen wie Giovanni Pierluigi da Palestrina (der gegenreformatorische Kirchenmusiker) oder Adriano Banchieri, Schöpfer gesungener Madrigale und geistlicher Musik.

Altenglische Tanzsätze gefielen

Der Lautenist Juan Sebastiàn Lima improvisierte stilgerecht auf seiner Theorbe, deren zarter, intimer Klang gespitzte Ohren erforderte. Die kleine Truhenorgel, auf der Daniel Rüegg ­lebendig artikuliert und wunderbar frei schwingend musizierte, bezauberte mit filigranen Flötenregistern, die glanzvolle Hauptorgel hob sich wirkungsvoll dagegen ab. Gesangliche Sätze folgten kunstvollen Passacaglien über sich wiederholenden Ostinato Bässen.

Die konzertante Musik wurde solo, zu zweit oder zu dritt musiziert. Besonders gefielen die altenglischen Tanzsätze aus der kurzweiligen Suite eines höfischen Maskenspiels eines anonymen Komponisten – man glaubte sich in die elisabethanische Zeit vor 400 Jahren zurückversetzt. Abschluss der farbigen Konzertstunde war die Zugabe einer rhythmisch mitziehenden, fröhlichen Chaconne.

 

Gisela Zweifel - Schaffhauser Nachrichten - 28. September 2021

 

Himmlische Musik aus dem Paradies

Die Musiker spielten mit empfindsamer Innigkeit. BILD BARBARA BINZEGGER

 

Nach mehreren Verschiebungen kam am Sonntagabend das Konzert mit dem Merel Quartett und der Cellistin Anita Leuzinger unter strengem Schutzkonzept doch noch zustande. Es war längst ausgebucht.

Das Merel Quartett, bestehend aus Mary Ellen Woodside und Edouard Mätzener (Violinen), Alessandro d’Amico (Viola) sowie Rafael Rosenfeld (Violoncello), welches europaweit in den renommiertesten Konzertsälen auftritt, beglückte auch in der Klosterkirche ­Paradies mit seiner hohen Kunst. Die hochkarätige Cellistin Anita Leuzinger komplettierte das Schubert-Streichquintett in C-Dur. Es wurde ­ergänzt mit Vor- und Zwischenspielen der sechs ­Bagatellen von Anton Webern (1883–1945) einem prominenten Ver­treter der damaligen Avantgarde der «Neuen ­Wiener Schule». Wie man nach einem üppigen Tortenstück auch ein ein­faches Stück Brot geniesst, so boten die kurzen, nur auf wenige Einzeltöne reduzierten Miniaturen für Streichquartett in ihrer Kargheit einen wirkungsvollen Kontrast zum Wohlklang und Gefühlsreichtum des Streichquintetts von Franz Schubert (1797–1828). Die «längste und kürzeste grosse Musik aus Wien» standen sich somit gegenüber.

Empfindungsreichtum, müheloser Virtuosität und höchster Präzision wie Homogenität des Zusammenspiels. Das tiefe Einfühlungsvermögen in Schuberts reiche Gefühlswelt und die hingebungsvolle Verinnerlichung der Musik wurde zum berührenden Ausdruck des facettenreichen Werks. Erinnerungen an glückselige Zeiten tauchten in melancholischer Versonnenheit auf, schwelgerische Glücksgefühle im Wechsel mit schmerzhaft verzweifeltem Aufbäumen. Aufs Zarteste ausgekostete Übergänge liessen die ­Zuhörer atemlos lauschen.

Der berühmte Adagiosatz erschien in vollendeter Schönheit – quasi aus einer anderen Welt. Über dem gedämpften Klangteppich von grosser Ruhe erschienen Glanzlichter wie aus dem Jenseits, im Mittelteil führten dramatische Abgründe bis zur Ermattung. Lebhaft und voller Lebenslust erklang das Scherzo mit fröhlichen Jagdmotiven, und der letzte Satz erinnerte an feurige ungarische Tanzmusik und Melodienseligkeit mit der Anmut des typischen Wiener Schmähs. Das Konzert wurde zum einsamen Höhepunkt gängiger Darbietungen. Zur besinnlichen Zugabe wurde die Eingangssonatina der Kantate «Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit» (genannt Actus tragicus) von Johann Sebastian Bach. Auch hier kam schlichte Innigkeit berührend zum Ausdruck.

 

Gisela Zweifel - Schaffhauser Nachrichten - 29. Juni 2021

 

Musikalischer Hochgenuss im Paradies

«Quadrosax» bot im Paradies eine grosse musikalische Vielfalt.

 

Der Verein der Freunde der Klosterkirche Paradies unter Präsidentin Renée Franck überwand alle Coronahürden und konnte – angesichts kleinerem Platzangebot auch dank treuer Sponsoren – den Start der diesjährigen Konzertreihe am Sonntagabend mit einem hochstehenden Auftritt vollziehen. Trotz des guten Wetters und der verbreiteten Corona-Angst war die Kirche gut zur Hälfte gefüllt, als Quadrosax mit strahlenden Es-Dur-Klängen nach Johann Sebastians Bachs Fuge VII aus dem wohltemperierten Klavier erklingen liessen und in majestätisch anmutenden Akkorden endeten.

Wohlklang in der Kirche

Urs Örtli (Sopransax), Ueli Angstmann (Altsax), Raffael Beier (Tenorsax) und Heinrich Baumgartner (Baritonsax) sind ein gut aufeinander abgestimmtes Quartett, dessen Kompositionen die Kirche mühelos mit Wohlklang füllten. Besondere Akzente setzte René Munz, der nach jeder Komposition ein paar Sätze aus Zoé Valdés Roman «Café Cuba» vortrug, [dessen Inhalt oft eigenartig zur Musik kontrastierte, aber auch geradezu ideal passte. Als Quadrosax das Kyrie aus der Messe de Nostre-Dame von Guillaume de Machaut beendet hatte, las Munz den Jammer der von den Eltern verlassenen Tochter, die durch die Akkorde, die Dan Maren aus Gabriel Piernés populären Ronde für Saxofon formte, wieder aufgemuntert worden wäre; was aber bei Munz’ Vortrag kein Echo auslöste.

Piazzolla, Cervantes und D’Rivera markieren die Entwicklung des Modern Tango. Und Quadrosax brachte die Klänge dazu ins Paradies. Dass es nicht wirklich paradiesisch wurde, lag an den zum Teil ordinären Texten aus Zoé Valdés «Café Cuba». Quadrosax zog alle ­Register, um Texte wie «Ich bin doch keine läufige Hündin» schnell vergessen zu lassen oder mit passenden Klängen das Leben der Kubaner unter Castro verständlicher zu machen. Astor Piazzolla, Begründer des Modern Tango in Argentinien, zeigte die Entwicklung dahin Schritt für Schritt, bis die Kompositionen die Tanzbarkeit der Klänge ins Unmögliche verschob; Quadrosax machte diese Schritte und deren Folgen im Paradies hörbar. Jazzähnliche Rhythmen mit hochdramatischen Endakkorden begleitete Munz mit Texten, die von einem Ehemann berichten, dem die jugendliche Zoé Valdés Liebesbriefe vom Balkon reichte, die dessen Frau fand und ihn kurzerhand mit Benzin zu Tode röstete. Quadrosax formulierte Gleichwertiges auf den Instrumenten.

Etwas anders die Klänge nach Paquito D’Riveras «New York Suite», bei dem das Sopransax faszinierende Akzente setzte und heissblütige Rhythmen anstiess, die von den anderen aufgenommen, gebändigt und nachvollziehbar gespielt wurden. Anfänglich verhaltener Applaus, dem Gebanntsein durch die Dramatik der Musik geschuldet, steigerte sich zu begeistertem Beifall, der lange anhielt und immer wieder aufkam.

 

Hans-Jürgen Weber - Schaffhauser Nachrichten - 16. September 2020

 

Originelle Volksmusik mit neuen Elementen

Beim Konzert der Gupfbuebä am Sonntag in der Klosterkirche Paradies gab es Innerschweizer Volksmusik vom Feinsten. Von wegen Ländlermusik: Die Gupfbuebe begeisterten mit einem stimmungsvollen Konzert.

 

Wer sich im zahlreich erschienenen Publikum unter dem Auftritt der Kapelle Gupfbuebä aus Unterägeri eine behäbig gemütliche «Stubete» mit Ländlermusik lediglich in ungewohnter Umgebung der Klosterkirche vorgestellt hatte, wurde am Sonntag bald eines besseren gelehrt. Die vier Musiker hatten sich vor über 30 Jahren im klassischen Musikstudium kennengelernt, und brachten mit ihren virtuosen und fantasievollen Darbietungen die Zuhörer nicht aus dem Staunen heraus. Mittlerweile sind die «Buebä» zu gestandenen Männern geworden. Ihr konzertantes Musizieren ist von bewundernswerter Leichtigkeit und zeigt die verschmitzte, ansteckende Spielfreude eines erstklassigen Quartetts, das sich durch und durch gut versteht.

Hochprofessionelle Musiker

Den Namen verdanken sie dem früheren Wohnort ihres Leaders Dani Häusler, der «im Gupf» (sprich Hügel) oberhalb von Unterägeri aufwuchs. Er ist klassisch ausgebildeter Klarinettist, daneben ein genialer Arrangeur und Komponist von origineller Volksmusik nach alter Tradition, angereichert mit aparten neuen Elementen, wie er sie seinen Gupfbuebä auf den Leib schreibt. Jörg Wiget brillierte als Akkordeonist, Dominik Lendi als Kontrabassist und Ueli Stump am E-Piano. Jeder spielt auch in diversen anderen Ensembles mit und/oder ist daneben auch musikpädagogisch tätig.

Zündend, schwungvoll und fröhlich kam ihre Musik daher. Die Stücke trugen originelle Titel wie «Mars(c)hmallow», «Route Napoléon» (ein Musettewalzer), «Prinzessin Silvia» (zum 50.) als Schottisch/Polka, «Pausenclown» (ein mitreissender Foxtrott in reinem Jazz), «C’est la vie» (ein französischer Walzer), «Zwee trümligi Unterägerer» oder «Gwendolyn», die liebevolle Hommage an sein kleines Töchterchen, welches an diesem Tag Geburtstag feierte.

Pfiffige Darbietungen

Nebst Kompositionen grosser Vorbilder der Volksmusik spielten sie vorwiegend Eigenkompositionen von Dani Häusler («der mit den langen Haaren», wie er auch bezeichnet wird). Die pfiffigen Darbietungen waren ein Hochgenuss und voller Überraschungen, sei es durch elegante harmonische Wendungen, raffinierte rhythmische Hemiolen im Dreiertakt, halsbrecherische Staccatoläufe der Klarinette (bzw. des Sopransaxofons), brillante Akkordeonsoli oder unerwartet differenzierte dynamische Abstufungen. Zu den lüpfigen Ländlern und schwungvollen Walzern hätte man am liebsten das Tanzbein geschwungen. Der Kontrabassist und Pianist zeigten sich als kongeniale Partner. Mit sichtlichem Spass an der Sache und ­legerer Überlegenheit verbreiteten sie gute Laune, ohne sich dem Publikum anzubiedern. Kein Wunder, spendete es begeisterten Applaus. Das Konzert sprühte vor unterhaltsamer Kurzweil, liebend gerne hätte man noch mehr gehört.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten - 18. Februar 2020

 

Feierliches Blechbläserkonzert mit Witz und Können

Das «Geneva Brass Quintet» begeisterte mit virtuosem Spiel und showartiger Choreografie.

 

Opern, Tänze und weitere Köstlichkeiten als brillantes Hörerlebnis versprach das Blechbläserquintett «Geneva Brass Quintet» aus Genf, ­bestehend aus den hochkarätigen ­Musikern Baptiste Berlaud und Lionel Walter (Trompete), David Rey (Posaune), Christophe Sturzenegger (Horn/Alp­horn) und Eric Rey (Tuba). Mit fran­zösischem Akzent kommentierten sie ihr phänomenal dargebotenes Programm in der weihnachtlich geschmückten Barockkirche mit Christbäumen und Krippe. Mit stupender Leichtigkeit und bewundernswerter Präzision präsentierten sie perfekt einstudierte, virtuose Bläsersätze in faszinierender, beinahe showartiger Choreografie.

Romantische Opernpartien

Dies bedingte, dass sie bis auf eine Ausnahme – bei Johann Sebastian Bach – alle Ensemblesätze mit beeindruckender Überlegenheit auswendig spielten. Wilhelm Tell nach Rossini war hier mitnichten ein «Papa Tell», sondern wurde zum jugendlichen Heisssporn, umso schwelgerischer und mit Schmelz erklang die Arie «Quando men vo» aus «La Bohème» von Puccini. Originell wurde ein souverän dargebotenes Potpourri aus «12 italienischen Belcanto-­Opern in 5 Minuten» als Preisfrage ­angekündigt, und mit vollem Klang ­musizierte das Ensemble die fantasievollen Variationen über die melan­cholische Liedweise vom «Vreneli ab em Guggisberg». Die Goldbergvaria­tionen von Johann Sebastian Bach ­führten mit einem ­gekonnten Arrangement für Bläser in verteilten Stimmen zu einem ganz neuen, kammermusi­kalisch farbigen und durchsichtigen Hörerlebnis, und als «Christmas Cracker» spielten und sangen sie «We wish you a merry Christmas», wonach die offerierten Christstollen und der Glühwein in der Pause vor der Kirche letztlich zum Tüpfelchen auf dem i ­wurden.

Jeder der Musiker bekam die Gelegenheit, sein virtuoses Können in einem eindrücklichen Solo unter Beweis zu stellen, sei es auf verschieden gestimmten Trompeten, Flügelhorn, Waldhorn, Posaune, Tuba oder gar auf einem echten, ausziehbaren «Swiss ­Alpflyinghorn» aus Carbon.

Belle Epoque und Wild West

Sie erzählten musikalische Geschichten von einer Strasse in der Belle Epoque, besinnlich als feierliche Melodie in «Share my Yoke» oder als tonmalerische Wild-West-Story, wo die Siedler mit den amerikanischen Ureinwohnern letztlich Frieden schliessen.

Heisse Tänze zum Schluss

Mit einem glutvollen lateinamerikanischen Tango und feuriger Tanzmusik schloss der musikalische Reigen, nicht ohne gewünschte Zugaben für das begeisterte Publikum anzuhängen, das die Kirche bis zum letzten Platz füllte. Dies war die hundertste Veranstaltung innerhalb der vielseitigen Konzertreihe von «Kultur Paradies». Zwei weitere werden noch in dieser Saison im Februar und März folgen mit Volksmusik und ­einem klassischen Streichquartett.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten - 31. Dezember 2019

 

Tristesse, Weltschmerz, Poesie und ohnmächtige Wut

Alles andere als ein herkömmliches Kirchenkonzert war der Abend mit Chansons des grossartigen Jacques Brel (1929-1978), dem legendären französischen Chansonnier belgischer Herkunft. Der holländische Schauspieler Jaap Achterberg bot die Chansons packend dar, zusammen mit einer hochprofessionellen Combo aus den drei fantastischen Musikern Franco Mettler (Klarinette, Saxophon, Akkordeon), Daniel Sailer (Kontrabass) und Marco Schädler (E-Piano). Mit grosser Bühnenpräsenz, Leidenschaftlichkeit und in tadellosem Deutsch brachte er den zahlreichen Zuhörern das tragisch bewegte Leben und die vielschichtigen Texte des Ausnahmekünstlers näher, der in den 60er-Jahren eine spektakuläre und  allzu kurze Karriere als Protagonist des französischen Chansons machte, weltweit die Konzertsäle füllte und zum Vorbild für unzählige Chansonniers und Diseusen wurde.  

Kampf gegen engstirnige Bourgeoiserie und Bigotterie

Seine Themen waren der Kampf gegen engstirnige Bourgeoiserie und Bigotterie und sein gespaltenes Verhältnis zu den Frauen, das er in zahlreichen Affären mit allen Höhen und Tiefen bis zum Exzess ausserehelich („Ne me quitte pas!“) auslebte, ebenso seine unstillbare Sehnsucht nach dem Aufbruch in neue Welten. Wie Jacques Brel trug auch Jaap Achterberg als ausdrucksvoller Diseur mit sonorer Baritonstimme  und  einer schauspielerischen Intensität vor, der man sich nicht entziehen konnte. Mit eindringlicher Ausstrahlung wurde die Liebe besungen: in anrührenden Bildern von jungen Mädchen, der Beschreibung des prallen Lebens von Amsterdam,  als Beschimpfungen und Hymnen an Frida, Marieke, Madeleine. Berührend waren auch die liebevollen Nachrufe voller Trauer auf Jojo, den besten Freund, oder auf seine Eltern, die alten Liebenden. Die tiefgründigen, französisch und niederländisch vorgetragenen Texte (aus dem Flämischen) voller Poesie, Tristesse, Weltschmerz und ohnmächtiger Wut liessen keinen kalt.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Bote vom Untersee und Rhein - 22. November 2019

 

Meditation mit liturgischen Gesängen und Orgelspiel

            Es kann nicht Sinn und Zweck einer konzertanten Aufführung von gregorianischen Gesängen sein, ein spektakuläres Konzerterlebnis zu vermitteln. Doch sie kann zu einem mindestens so wertvollen Erlebnis von geistlicher Musik zur inneren Einkehr werden. Der traditionell einstimmige gregorianische Choral ist ein wertvolles abendländisches Kulturgut aus dem Frühmittelalter. Er entstand lange vor der Aufspaltung vom alten in den neuen Glauben der Reformation.  Der katholischen Kirche sei Dank, dass sie diesen liturgischen Gesang bis in unsere heutige Zeit überliefern konnte.

Die sechs Männer der Choralschola „Schola Iubilate“ aus dem Kanton Schwyz (Fabian Bucher, Roman Gemperli, Beat, Bernhard, Felix und Pius Isenring), unter der Leitung des „Primus inter Pares“ und Kirchenmusikers Bernhard Isenring, waren im Paradies zu Gast und erfüllten die barocke Klosterkirche durch ihre homogen aufeinander abgestimmten Stimmen mit reinem Wohlklang. Christoph Honegger, künstlerischer Leiter der Konzertreihe und katholischer Kirchenmusiker in Schaffhausen, bereicherte das ansprechende Programm mit farbig registrierten Orgelstücken aus dem Frühbarock in Überleitungen und mit alternatimer (wechselweiser) Musizierpraxis.  

Musikalisches Gotteslob

         Das Konzert stand unter dem Motto „Iubilate Deo omnis terra“ (Jauchzet dem Herrn, alle Welt). Für den traditionellen gregorianischen Choral ist die lateinische Sprache Voraussetzung, obwohl es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil im katholischen Gottesdienst üblich ist, auch in deutschen Übersetzungen zu singen. Diese Anpassungen an heutige Bedürfnisse sind deshalb fragwürdig, weil die Wörter durch die Satzumstellung nicht mehr auf die  aussagekräftigen Figuren der alten Neumennotation passen. Dank der  Texte in latein/deutsch auf dem willkommenen Programmblatt war das feine Innenleben der ursprünglich klösterlichen Gesänge nachzuvollziehen. Die frei schwingende Musik kennt weder Taktgefüge noch subjektiv menschliche Affekte, wie es für spätere Musikstile zur Regel wurde.

         Die dargebotenen Gesänge durchs Kirchenjahr hatten das Gotteslob zu Gegenstand, oft als Antiphonen mit Psalmodien (wiederkehrende Vorverse als Umrahmung eines Textes auf einem sich wiederholenden Rezitationston – dem Cliché priesterlichen Gesangs), als strophische Hymnen oder im reizvollen Wechsel von Gesang und Orgel. Beim letzten Orgelstück von Girolamo Frescobaldi wiederholten die Sänger „Sancta Maria, ora pro nobis“ wie ein Mantra. Die besinnliche spirituelle Meditationstunde war Nahrung für die Seele.

 

Für den 17. November sind Chansons von Jacques Brel in der Klosterkirche vorgesehen.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Bote vom Untersee und Rhein - 1. November 2019

 

Konzertauftakt in der Klosterkirche Paradies

Zu Beginn des Konzerts in der Klosterkirche Paradies benötigten die Zuhörer etwas Zeit, sich mit den neuen Klangfarben einer Musik, die man sonst so ganz anders im Ohr hat, anzufreunden.

 

(gzf) Christoph Honegger, der künstlerische Leiter der Konzerte in der Klosterkirche Paradies, eröffnete am vergangenen Sonntag die diesjährige Konzertreihe mit einer kurzen Vorstellung der sechs Veranstaltungen bis nächsten März. In seiner Auswahl ist auch diesmal für jeden Geschmack etwas dabei, wobei die Ensembles mit Crossover-Programmen, die stilistisch neue Wege beschreiten, in der Mehrzahl sein werden.

Das «Trio Dacor» besteht seit elf Jahren als Gründung der vielseitigen Musikerin Jacqueline Ott aus Winterthur. Als professionelle Schlagzeugerin (auch Pianistin) holte sie die Kontrabassistin (auch Pianistin und Fotografin) Jojo Kunz sowie den Akkordeonisten (und Organisten) Paolo d’Angelo in ihr Ensemble, um in ungewohnter, anfänglich etwas gewöhnungsbedürftiger Besetzung in gekonnten Arrangements Werke vom Barock über Romantik bis Flamenco, Tango und Blues aufzuführen. Jacqueline Ott bewies sich mit feiner Musikalität und differenzierten Nuancierungen als grosse Könnerin auf ihren zwei Schlaginstrumenten Vibraphon und Marimbaphon. Jojo Kunz, ein wahrer Vulkan an temperamentvoller Ausstrahlung, spielte ihren Kontrabass mit fantasievoller Gestaltungskraft, wenn auch nicht immer lupenrein in der Intonation. Paolo d’Angelo fügte sich mit seinem Akkordeon geschickt in der Mittellage ein, um den störenden Spaltklang zwischen dem aetherisch zarten, beweglichen, und dem extrem tiefen, oft schwerfällig brummigen Instrument der Musikerinnen mildernd zu verbinden.

Leidenschaftliches Temperament und Groove

Aus diesem Grund brauchte es in der beliebten viersätzigen, ersten Peer Gynt-Suite von Edvard Grieg zu Beginn etwas Zeit, sich mit den neuen Klangfarben einer Musik, die man sonst so ganz anders im Ohr hat, anzufreunden. Mit Johann Sebastian Bachs virtuosem Doppelkonzert, das er für zwei Violinsoli geschrieben hatte, verhielt es sich ähnlich. Jedoch durch den Drive der filigranen Figurationen, die lebendige Dynamik und den wiegenden Puls wussten die Musiker die Zuhörer immer mehr in ihren Bann zu ziehen, was später in der berühmten, virtuosen Toccata aus Léon Boëllmanns Orgelwerk «Suite gothique» in einem Höhepunkt gipfelte. Bei Manuel de Fallas drei «Canciones populares españolas» und George Gershwins drei Préludes kamen diese Umschreibungen besonders dort zum Tragen, wo in schnellen Tempi leidenschaftliches Temperament und Groove gefordert war – was der jazzerfahrenen Kontrabassistin besonders zu liegen schien. Bei gesanglichen Kantilenen war es für das Schlaginstrument nicht einfach, melodische Linien spannungsvoll nachzuzeichnen. In einer Zugabe mit einem Stück von Astor Piazzolla trat für einmal das Akkordeon mit einem temperamentvollen Solo im musikalischen Zusammenspiel aus sich heraus.

Am 27. Oktober wird als Kontrastprogramm ein meditatives Konzert mit Gregorianischem Choral und Orgel zu hören sein.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Bote vom Untersee und Rhein - 27. September 2019

 

Celtic Folk zum irischen St. Patrick’s Day

Am letzten Konzert dieser Saison in der Klosterkirche Paradies zog die Berner Band «An Lár» zahlreiche Fans von irischer sowie schottischer und asturischer Volksmusik an. Es traf sich, dass das Konzert am Sonntag punktgenau auf den irischen Nationalfeiertag fiel. Grün ist die Nationalfarbe der Grünen Insel, grün ist das Kleeblatt des heiligen Patrick, der mehrere Tausend irischer Kelten im fünften Jahrhundert mit dem kreuzförmigen Symbol der Heiligen Dreifaltigkeit christianisiert haben soll. Und grün sollte eigentlich auch das Hemd des Bandleaders sein.

Die vielseitige, virtuose Vierergruppe mit dem gälischen Namen «An Lár» –übersetzt: das Zentrum – trat mit David Brühlmann (Gesang, Bhodran, eine irische Trommel, Akkordeon und Ansage), Larsen Genovese (Fiddle), Jürg Frey (Gesang, Whistles, Concertina, eine Art Handorgel, Banjo und Gitarre) und Emre Aydin (Mandocello als Bassinstrument) auf. Als eine feste Grösse der Schweizer Celtic Folk-Szene zeichnen sie sich sowohl mit gekonnt dargebotenem traditionellem Irish Folk als auch durch originelle, schweizerisch inspirierte Eigenkompositionen und Arrangements von typisch irischen Tanzsätzen wie Jigs und Reels aus.

Sie musizierten nonstop frisch von der Leber weg, ohne jede bernische Bedächtigkeit, mit rasantem Drive, sagenhaftem Rhythmusgefühl und höchster Präzision, auch wenn diese Musik auf die Dauer etwas gleichförmig klingt. Offenbar spielen sie auch in den Proben ohne Noten, was wirklich erstaunt, wenn man die atemberaubenden Unisonopassagen hört. Mit ihrer Gedächtnisleistung haben sie ein beachtliches Repertoire mit diversen CDs vorzuweisen.

Gesungene Balladen mit fantasievollen Titeln wie «B-Train», «Forever and a Day», «Hingerhare», auf Berndeutsch: hinterher, «Gäbelbachiana», «Welcome poor Paddy home», «Bümpliz Süd», «Handtrucking» (mit dem Sackwagen) oder «The Factory by the Hill» öffneten sie ein breites Spektrum des prallen Lebens zwischen Arbeit, Whisky, Ausgelassenheit und Melancholie. Gegen Ende des Konzerts wurde auch das Publikum lockerer, und es liess sich zum zaghaften Mitklatschen bewegen. Nur war es eigentlich der falsche Rahmen für diese Musik, wenn man sie schon einmal in einer spontanen Session im familiären Ambiente eines kleinen Irish Pubs erlebt hatte …

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten - 19. März 2019

 

Sentimentale Romantik und bissige Ironie

Es war gut besucht, das Paradies-Konzert in der Schlattemer Klosterkirche am Sonntagabend. Christoph Honegger stellt jeweils nicht nur das reichhaltige Programm der Konzertreihe zusammen, er bereichert sie auch mit mindestens einer Eigenproduktion, diesmal mit seinem Kammerchor «Chorprojekt Schaffhausen». Kompositionen aus dem 19. Jahrhundert plus bissig ironische Texte – etliche aus der eigenen Feder des fantasie- und humorvollen Schauspielers Walter Millns – ergaben eine einmalige Mischung von sentimentalen Gefühlsergüssen der Romantik und abgründigem Humor unserer Gegenwart.

Als Chorleiter stellt Christoph Honegger höchste Anforderungen an seine Sängerinnen und Sänger, pflegt sie gelegentlich an die Grenzen eines Laienchors zu bringen, und sie leisten das Machbare mit Engagement und Begeisterung. Trotz gewisser Einbussen infolge einiger Ausfälle durch Erkrankungen führte er sie durch ein anspruchsvolles Acap­pella-Programm, wo sie ein beachtliches Niveau an lebendigem Ausdruck, klanglicher Homogenität und Intonationssicherheit zeigten. Erfreulich waren etliche neue, junge Gesichter unter den rund 25 Sängern, die vor allem im Sopranregister mit glanzvollen Stimmen müheloser Höhe auffielen. Gekonnte Lesungen von Walter Millns würzten die musikalischen Sentimentalitäten im schmunzelnden Kontrapunkt mit Unterhaltungswert und brachten manchen Zuhörer zu belustigtem Lächeln.

Seelenzustände durch Naturbilder des Waldes, von Landschaften, Himmel und Erde, leuchtenden Gestirnen, sagenumwobener Vergangenheit, Herz und (Liebes-)Schmerz waren beliebte Motive in der Dichtung und der Musik der Romantik. Neben grossen Komponisten wie Robert Schumann, Johannes Brahms und Josef Gabriel Rheinberger begannen sich auch erste musikalisch hochbegabte Frauen zu emanzipieren, hier auch Fanny Hensel-Mendelssohn, der ihr verständnisvoller Ehemann Wilhelm Hensel trotz ihres weit mehr gefeierten jüngeren Bruders Felix in der patriarchalischen Gesellschaft Gehör verschaffte. Es war wenigen Frauen vergönnt, als Musikerinnen, Komponistinnen oder Dirigentinnen öffentlich aufzutreten. Der Chor gab dem Konzert mit «Lockung» und «Abschied» einen wohlklingenden Rahmen. Kontrastierend folgte der fiktive Dialog der kleinen Fanny und des Felix im Streit, ein köstlicher Einfall des facettenreichen Schauspielers, der die beiden zu prallem Leben erweckte. Melancholie, Sehnsucht und Volkstümlichkeit in der Musik wechselten sich mit Sticheleien, Anzüglichkeiten und Wortspielereien in den Texten ab. Ein einfallsreicher Genuss!

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten - 19. Februar 2019

 

Mal festlich, mal urchig in weihnächtlichem Ambiente

Wer in der festlich geschmückten barocken Klosterkirche Paradies mit den Weihnachtsbäumen und der Krippe am Hochaltar, Glühwein und Christstollen ein besinnliches Weihnachtskonzert erwartet hatte, wurde am vergangenen Freitag bald eines Besseren belehrt. Das professionelle Brassquintett mit Thomas Gmünder, Waldhorn, Markus Hauenstein, Tuba, Xaver Sonderegger, Posaune, und den Trompetern Christoph Luchsinger und Patrik Arnold erwies sich zu den launigen Kommentaren des Thurgauer Hornisten als Stimmungskanonen der Extraklasse. Mit grosser Sicherheit musizierten sie locker, und diese Lockerheit übertrug sich auch aufs Publikum.

Bewundernswert wurde durchwegs ohne Noten gespielt, somit ergab sich die Möglichkeit von Showeffekten durch räumlich wechselnde Aufstellungen und Bewegungsabläufe, die das Konzert auch optisch abwechslungsreich gestalteten.

Mit humoristischem Touch

Alle fünf der begabten Musiker hatten im Verlauf des Programms ausgiebig Gelegenheit, ihr Können in virtuosen Soli zu zeigen. Nach Gioachino Rossinis fulminanter Ouvertüre «Wilhelm Tell» des Ensembles, spielte Markus Hauenstein mit dem humoristischen Touch seiner Basstuba in atemberaubender Weise einen feurigen Czàrdàs von Vittorio Monti. Ein geschmeidiger Tanzrhythmus zeichnete den lateinamerikanischen Vals peruano von Enrique Cres- po aus. Im Beatles-Song «Penny Lane» hatte der Trompeter Patrik Arnold einen fulminanten Auftritt, und schon fast weihnachtlich erklang das argentinische «Chanson de la naissance» von Astor Piazzolla.

Ein Höhepunkt war die einmalige Transkription von Johann Sebastian Bachs d-Moll Orgeltoccata BWV 565, welche das berühmte Werk zwar aus seiner heiligen Aura holte, ihm aber mit orchestralem Klang und gekonntem virtuosem Zusammenspiel zu neuem, faszinierenden Leben verhalf.

Nach der Pause traten die Künstler urchig in roten «Tschööpli», Jeans und roten Sneakers auf und verblüfften die Zuhörer mit «Là-haut sur la montagne» in verschiedenen Spielarten und witzigen Effekten wie Kuhglocken, Tierstimmen, Echos und einem liegenden Pedalton, der von Thomas Gmünder auf dem Alphorn wie ein Didgeridoo intoniert wurde. Fünf Alphörner erzeugten darauf einen gewaltigen Klang mit Johann Areggers «Uf de Bänklialp», und bündnerischcharmante Volksmusik erklang mit «Elena Ratti» der Fränzlis da Tschlin, wo auch das Eufonium zum Einsatz kam.

Mit weihnächtlicher Zugabe

Ein geschmeidigbewegliches Posaunensolo blies Xaver Sonderegger im swingenden Stück von Tommy Dorsey, und Christian Luchsinger spielte das Flügelhorn schmelzend weich in «Face» von George Michael. Dann noch einmal die Beatles mit «Hey Jude», witzig im Oberkrainer Stil dargeboten, ein feurigspanischer Paso Doble und Disneys «Bare Necessity», dessen Gemütlichkeit sich zu fetzigem Jazz steigerte. Als quasi weihnachtliche Zugabe, wenigstens dem Namen nach, noch einmal «Lady Madonna» von den Beatles und zum beruhigenden Ausklang Robert Schumanns «Träumerei» in einer Fassung für Blechbläser.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten - 3. Januar 2019

 

Quintetto Animato – Barockmusik und rumänische Folklore

Panflöte löste angespannte Streicher

Das Ensemble Quintetto Animato gab letzten Sonntag ein Heimspiel des Cembalisten und Kirchenmusikers Christoph Honegger, des künstlerischen Leiters der Konzertreihe in der Kloster­kirche Paradies in Schlatt. Er bot zusammen mit dem Streichquartett des Geigers Erich Meili ein überaus anspruchsvolles Programm mit berühmten barocken Solokonzerten dar, aufgelockert mit rumänischer Panflötenmusik, und zog sehr viele Zuhörer an. Die Kirche war bis zum letzten Platz gefüllt.

Rasantes Tempo

Der erste Satz des populären E-Dur- Cembalokonzertes von Johann Sebastian Bach, hier als Eingangssinfonia in D-Dur zur Kantate BWV 169, stand am Anfang des Abends. Bei den Streichern war eine Angespanntheit zu spüren, die sich erst im Verlauf des Programms lockern sollte. Das Tempo wirkte atemlos und machte es dem Cembalisten fast unmöglich, seinen Part zu gestalten. Zudem war schade, dass bei dem zweimanualigen Instrument, einer wunderschönen Kopie nach dem flämischen Cembalobauer Ruckers aus dem 16./17. Jahrhundert, der Schalldeckel entfernt wurde. Dadurch war höchstens in den vordersten Reihen etwas vom silbernen Klang des Soloparts zu erahnen.

Im folgenden Violinkonzert von Antonio Vivaldi, das vor allem in der Orgelfassung von Bach beliebt wurde, wurde ebenfalls ein rasantes Tempo angeschlagen. Hier amtete Sebastian Vogler als Geigensolist. Spätestens da bedauerte man, dass die Streicher auf modernen Instrumenten spielten. Der harte Klang liess in den Ecksätzen zarte, warme Nuancen vermissen, im schön ausgespielten Mittelsatz kamen sie mehr zum Tragen. Mit charmanten Solostücken von François Couperin, dem Komponisten des französischen Sonnenkönigs Louis XIV. in Versailles, konnte sich Christoph Honegger endlich frei entfalten. Er verstand es, die Farben seines Cembalos reizvoll aufzuzeigen.

Im grossen Violinkonzert in a-Moll Johann Sebastian Bachs zeigte es sich, wie heikel es allemal ist, sich mit Virtuosen der Weltklasse zu messen, selbst für einen guten Geiger wie Erich Meili. Zwar wählte er ein glücklicheres Tempo giusto, die Töne sorgfältig artikulierend, doch sein überakzentuiertes und hier nicht über alle Zweifel erhabenes Spiel wirkte forciert. Melodiöser gestaltete er den langsamen Mittelsatz. Den Abschluss des barocken Teils machte das nicht minder berühmte, melancholische Cembalokonzert in f-Moll des grossen Meisters mit dessen traumhaft schönem Adagio. Hier entstand durch die vielen Streicherpizzicati ein ausgewogener Gesamtklang. Mit der gewinnenden Ausstrahlung von Anna Katharina Rebmann (Bratsche und Violine) gewann das Konzert einen lieblicheren Touch, und der Cellist Jürg Bachmann stützte das Ensemble zuverlässig.

Panflötenklänge als Höhepunkt

Und einmal mehr trat Christoph Hon­egger als musikalischer Tausendsassa in Aktion. Sein Panflötenspiel ging weit über ein «Hobby» hinaus. Von seiner sichtlichen Freude am Musizieren liess sich endlich auch das Streichquartett anstecken, und das Publikum kam mit den wunderschönen Flötenklängen, auch in einer Zugabe von James Last, voll auf seine Rechnung.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten - 27. November 2018

 

Ida: ein musikalisches Porträt in der Klosterkirche Paradies

Gitarrenduo «Schö à deux» brachten dem Publikum in Schlatt die Künstlerin empfindsam näher

(gzf) Wer schon kennt Ida Presti? Sie auch nicht? – Noemi Locher und Esther Thommen, zwei junge, hochbegabte Gitarristinnen aus Basel (Noemi Locher ist in Schaffhausen aufgewachsen), brachten sie den Zuhörern in der Klosterkirche Paradies, Schlatt, am vergangenen Sonntag als «Schö à deux» empfindsam und mit zarten Klängen anschaulich näher. Die französische Gitarristin und Komponistin Ida Presti lebte von 1924 bis1967 und wurde als «Grande dame de la guitare» international gefeiert. Schon in Kindheitstagen galt sie als ein Wunderkind und wurde als «weiblicher Mozart» gefeiert, später auch zusammen mit ihrem Mann Alexandre Lagoya, mit dem sie als perfektes Gitarrenduo über 2000 Konzerte spielte. Sie war schön, und bezauberte ihr Publikum als ein Wunder von Begabung und Anmut mit ihrem gefühlvollen, fehlerlosen Spiel, sicherem musikalischen Gespür und spieltechnischen Neuerungen.

Anmutige junge Musikerinnen

Die beiden sensiblen Musikerinnen verkörperten die Gitarristin in der Klosterkirche Paradies in geradezu idealer Weise. Mit hohem Können spielten sie wie aus einem Guss und gaben den Kompositionen von Presti und weiteren Werken für Konzertgitarre ein musikalisch lebendiges Profil. Mit Rubato, feinsten agogischen Finessen und hoher Musikalität spielten sie virtuos, lupenrein sauber und mit femininem Ausdruck. Dabei verstanden sie es meisterhaft, spanisches Kolorit, romantische melodische Schönheit, heikle moderne Tonalität und motorische Virtuosität darzustellen. Zudem boten sie zusätzlich eine immense Gedächtnisleistung, denn mit Ausnahme der (gefälligen barocken) Zugabe musizierten sie das ganze Programm auswendig. Dabei waren die anspruchsvollen Stücke des Abends durchwegs von komplexem Inhalt. Da gab es keine einfach gestrickten Teile, um sich darin «auszuruhen».

Besonders gefiel des Spaniers Fernando Sor wunderschöne, mit grosser Ruhe ausgespielte, liedhaft romantische Musik aus dem 19. Jahrhundert. Den Zuhörern am ehesten bekannt dürfte wohl Joaquin Rodrigo gewesen sein, auch er ein spanischer Komponist, welcher aparte, virtuose Gitarrenmusik geschrieben hatte. Noemi Locher und Esther Thommen meisterten sie farbig und mit überzeugender Ausstrahlung. Zu einem der Höhepunkte wurde Ida Prestis verträumte «Sérénade» aus dem Jahr 1955. Sie berührte und ging zu Herzen. Anschliessend war das effektvolle Virtuosenstück «Jongo» von Paolo Bellinati (geboren 1950) das erste, welches die beiden jungen Musikerinnen als «Schö à deux» nach ihrem Studium gemeinsam öffentlich aufgeführt hatten. Sie musizierten es gekonnt und mit spielfreudiger Bravour. Zusammenfassend beschrieben: es war ein wohltuendes Konzert der stillen Art mit zarten Tönen von lieblichen Frauen.

Im nächsten Konzert in der Klosterkirche Paradies tritt am 25. November das «Quintetto animato» auf, mit dem künstlerischen Leiter Christoph Honegger, der Cembalo und Panflöte spielt.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Bote vom Untersee und Rhein - 2. November 2018

 

Meisterhaftes Spiel in seltener Besetzung

Am Sonntag wurde die neue Wintersaison der Konzerte in der Klosterkirche Paradies eröffnet. Mit seiner speziellen Besetzung bot das Blattwerk Quintett einen Vorgeschmack auf die nächsten fünf Konzerte mit originellen Programmen jeglicher Couleur.

Mit raffiniert bearbeiteten Stücken eröffnete das Blattwerk Quintett auf seinen Rohrblattinstrumenten die Winterkonzertreihe der Klosterkirche Paradies.

Blattwerk Quintett – das mehrdeutige Wortspiel des Namens war in der Klosterkirche Paradies am Sonntag Programm: Vier international tätige Musiker und eine Musikerin spielten dort auf ihren Rohrblattinstrumenten ein breit gefächertes Programm in der Formation eines sogenannten Reed Quintets, welches seit rund dreissig Jahren gepflegt wird. Dazu gehörten Martin Bliggenstorfer, Jonas Tschanz, Elise Jacoberger, Nils Kohler und Richard Haynes, die auf verschiedenen Holzblasinstrumenten aus der Oboen- und Klarinetten- bzw. Saxofonfamilie in allen Stimmlagen musizierten. Sie boten ein ungewöhnliches Konzert mit teilweise hausgemachten, raffinierten Bearbeitungen von Musikstücken für Tasteninstrumente wie Klavier und Cembalo. Die jungen Leute lernten einander während des Studiums an der Hochschule für Künste in Bern kennen und haben sich nun schon seit etlichen Jahren glänzend auf­einander eingespielt sowie einen Namen geschaffen. Durch ihre einheitliche Schwingungserzeugung entsteht eine faszinierende Klanghomogenität, die dennoch reizvoll vielfältige Klangfarben aufzeigt.

Cembalosuite fehlte Vollklang

Nicht jeder Stil schien sich gleichermassen für Arrangements dieser Art zu eignen. So war der Sound der Barockmusik von Jean-Philippe Rameau leicht gewöhnungsbedürftig. Den vier Sätzen aus der Cembalosuite «La Triomphante» fehlte trotz meisterhaften Zusammenspiels der silbern rauschende, tragende Vollklang eines französischen Cembalos. Die Musik wirkte durch die ­sorgfältige Artikulation und verschiedene Klangfarben zwar durchsichtig und filigran, aber auch etwas trocken. Dies war zwar interessant, doch zugleich auch reine Geschmackssache. Überzeugender erklangen vier reizende Kinderstücke aus «Children’s Corner», der Klavierschule des Impressionisten Claude Debussy. Weiche, perlende Girlanden erzeugten in «Doctor Gradus ad Parnassum» hübsche Stimmungen, und allerliebst erklang das träumerische Wiegenlied des kleinen Plüschelefanten «Jimbo’s Lullaby». Die wirbelnden Schneeflocken einer Schneekugel wurden musikalisch hingezaubert, und «Golliwogg’s Cake-Walk» wurde zu einem schmissigen Ragtime mit humoristischem Touch. Eher schwere Kost für den unbedarften Hörer boten drei modernere Sätze aus der ersten Klaviersonate von Paul Hindemith. In herber, verfremdeter Tonalität, die sich letztlich findet, und in andauernder Bewegtheit waren durch angestrengtes Hören wiegende, fliessende Wellen des Main auszumachen, gefolgt von einem Trauermarsch und einem lebhaften Satz mit lyrischen Passagen.

Zu Recht als überhöhenden Schluss spielte das Ensemble vier weitere Transkriptionen von kurzen Sätzen aus Robert Schumanns «Waldszenen» für Klavier, die in der farbigen Bläserbesetzung überaus reizvoll erklangen. Als «Eintritt» entfaltete sich eine anmutige, melodienselige romantische Musik mit singender Oberstimme und hingetupften Begleitfiguren. Eine farbenfrohe, brillant und munter gespielte Jagdstimmung wurde in «Jäger auf der Lauer» musikalisch plastisch beschrieben. Mit rundem, fein differenziertem Klang und in sich gekehrter Verträumtheit beschrieb das Stück «Einsame Blume» die sprichwörtliche «blaue» Blume der Romantiker mit versonnenem Ausdruck. Und im «Jagdlied», quasi als fröhlicher Kehraus, schallten die Jagdhörner von galoppierenden Reitern durch den Wald.

Meisterhaft gespielte Zugabe

Die begeisterten Zuhörer wurden mit einer rhythmisch spritzigen, meisterhaft gespielten Zugabe aus den sechs Bagatellen von ­György Ligeti belohnt, diesmal in originaler Besetzung für Bläserquintett. Man darf bereits gespannt sein auf das nächste Konzert in der Reihe mit den zwei Gitarristinnen «Schö à deux», die in einem musikalischen Porträt die französische Gitarristin Ida Presti vorstellen werden, welche mit ihren fantasievollen, perfekten Interpretationen angeblich viele Köpfe verdreht haben soll.

 Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten - 19. September 2018

 

Barockmusik vom Allerfeinsten

 

Das unübertreffliche Ensemble NeoBarock mit Maren Ries und Volker Möller, Violinen, Ariane Spiegel, Violoncello, und Stanislav Gres, Cembalo, waren extra für diesen Sonntagabend aus Köln angereist. In stilvoller Kleidung mit kreativem Chic in Goldgelb und schwarz, passend zum zweimanualigen französischen Cembalo, traten vier herausragende Spezialisten für Alte Musik mit einem fulminanten Feuerwerk auf zum Thema „Basso ostinato“ – die Faszination der Wiederholung. Das Programm zumeist aus Passacaglias und Chaconnen, Stücke aus sich ewig wiederholenden Bassmotiven, wo üblicherweise nur leere Virtuosität im Vordergrund steht, wirkte wider Erwarten nicht im Entferntesten eintönig oder ermüdend. Im Gegenteil! Die musikantisch verinnerlichte historisch informierte Aufführungspraxis der vier jungen Vollblutmusiker zeigte sich in faszinierender Frische und Lebendigkeit, energiegeladen und spielerisch differenziert bis ins letzte Detail – ein Hochgenuss sowohl für den gängigen Barockmusikliebhaber als auch für den kritischen Kenner – wo keine Wünsche offen blieben.

Aparte Werke

Im ersten Teil kamen aparte Werke von Heinrich Ignaz Franz Biber, dem österreichischen Geigenvirtuosen, Salomone Rossi, dem jüdisch-italienischen Barockmusiker, Johann Caspar Kerll, dem deutschen Orgel- und Cembalovirtuosen und Biagio Marini aus Italien zu Gehör. Schon der erste, improvisatorisch ausgezierte Akkord liess aufhorchen, wie präsent und präzise aus einem Guss das spannungsgeladene Zusammenspiel war: durchsichtig spritzig, schwungvoll locker, ebenso leidenschaftlich wie temperamentvoll. Die Streicher spielten mit dosiertem Vibrato, dafür facettenreicher Gestaltung  jedes einzelnen Tons durch sprechende Artikulation, Dynamik und agogische Feinheiten. Auch stereotype Ostinatofiguren der Cellostimme (neben kunstvollen Figurationen) erklangen jederzeit musikalisch  engagiert und die Farben der Oberstimmen vielfältig aufnehmend. Je nach affektivem Charakter wechselten die Tempi von einzelnen Variationen in nachvollziehbarer Weise. Für Wohlklang sorgten auch die kostbaren Instrumente als moderne und historische Nachbauten berühmter Instrumentenbauer aus der Zeit.

Farbig differenziert und sensibel nuanciert

Nach der Pause kamen drei Grossmeister barocker Pracht zu Wort: Georg Friedrich Händel, Henry Purcell und Antonio Vivaldi. Auch sie erklangen farbig  differenziert und sensibel nuanciert, jede pompöse Schwerfälligkeit vermeidend. Es gab schmerzlich klagende Melancholie zu  absteigenden Bassmotiven, tänzerisch graziöse Anmut in einem Menuett und überschäumende Exaltiertheit mit allen Spieleffekten einer echten „Follia“ des venezianischen Barock. Die Zuhörer waren auch noch nach eineinhalb Stunden aufmerksam und wie gebannt. Ihr stürmischer Applaus wurde mit einer letzten Chaconne von Biber belohnt.

 

 Gisela Zweifel-Fehlmann - Bote vom Untersee und Rhein - 20. März 2018

 

Musikalische Perlen und Glanzlichter des Barock

 

Eine Formation aus bekannten Musikern der Region spielte am Sonntagabend zum ersten Mal öffentlich Kammermusik: die im Raum Schaffhausen tätigen Roland Müller, an der Querflöte, Cellist Peter Marti und drei Musiklehrer der Musikschule Untersee und Rhein – Alea Schaub, Gesang, Justyna Duda, Oboe, und Jean-Pierre Dix, Kontrabass. Da sie aus verschiedenen Ecken des Verständnisses betreffend Barockmusik kamen, war man gespannt, wie sie sich einigen würden. Müller kommt aus der historischen Aufführungspraxis, Marti huldigt dem romantischen Klangideal, und Dix ist ebenso verwurzelt in der Jazzszene. Die zwei Frauen vermittelten als wunderbare Bindeglieder mit grosser Ausstrahlung. Und siehe da: Der Abend wurde zu einem abgerundeten Erlebnis für alle.

 

Viel Wohlklang bot das Programm der europäischen «Big Four» des 17./18. Jahrhunderts: Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Georg Philipp Telemann und Antonio Vivaldi. Zu Glanzlichtern wurden die Arien der Sopranistin, geschrieben für ein Ensemble mit «obligaten» Melodie­instrumenten, das heisst vollwertig auskomponierten Stimmen für Soloinstrumente und Generalbass. Kleine Kunstgriffe, was die Besetzung anbelangt, gaben den Darbietungen einen persönlichen Touch. Mangels eines üblichen Tasten- oder Lauteninstruments in der Generalbassgruppe, das mit akkordischem Satz füllen könnte, wurden die Begleitungen nur linear mittels Cello und Kontrabass-Pizzicato (mit einer Ausnahme) ausgeführt. Dies verlieh den Stücken einen aparten, unbeschwert durchsichtigen Klang. Einzig im Largosatz von Vivaldis sonor ausgespielter Cellosonate mangelte das kantable Gegengewicht im Begleitbass ohne Streicherbogen. In Telemanns musikalisch leichtfüssigem Spaziergang durch Wald und Au – mit reizenden Echoeffekten – ergab sich durch die fehlenden Harmonien in der Mittellage leerer Raum, und somit ein eher befremdlicher Spaltklang zwischen den hohen Stimmen von Flöte und Sopran und den Bassstimmen.

 

Ein anmutig verspieltes Zusammenwirken der Melodieinstrumente Flöte und Oboe mit den Bässen und ausgewogene, schöne Tempi erfreuten in zwei Triosonaten von Telemann. Mit Perlen der Barockliteratur wartete die Sopranistin Alea Schaub auf. Berühmte tonmalerische Arien, aus Bachs Johannespassion «Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten» und «Schafe können sicher weiden» aus der Jagdkantate BWV 208 zur Huldigung für einen Landesfürsten, sind in jedem Programm Höhepunkte – auch wenn der pastorale Blockflötenklang der Letzteren nicht möglich war. Und die naturverbunden spirituellen deutschen Arien Händels sind zutiefst berührend. In der Zugabe wurden die begeisterten Zuhörer noch mit dem ­innig interpretierten, wahrlich paradiesischen Klagegesang Händels, «Lascia, ch’io pianga», beschenkt.

 

 Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten - 21. Februar 2018

Festlich mit Pauken und Trompeten

 

In der weihnachtlich geschmückten Klosterkirche versetzte das Barocktrompeten Ensemble Ostschweiz ein zahlreich erschienenes Publikum mit Pauken und Trompeten in festliche Stimmung. Vier hell erleuchtete Christbäume und eine Weihnachtskrippe umgaben die Altäre und bildeten den stilvollen Rahmen für ­Musik aus der Entstehungszeit der ­Barockkirche. Darüber hinaus wurden die Konzertbesucher in der Pause draussen mit wärmendem Glühwein und Christstollen beschenkt.

 

Fünf Trompeter und eine Trompeterin spielten auf ihren hell klingenden, ventillosen historischen Instrumenten: Gabriel Mayer Hétu, Daniel Bietenhader, Peter Schwegler, Annette Geisel, Sebastian Benz und Jonas Inauen. Mit rhythmischen Paukenschlägen vervollkommnete Inez Ellmann die sieghafte Prachtentfaltung fürstlich höfischer Repräsentation. Organist Kaspar Wagner begleitete einzelne Stücke und bereicherte das Programm mit Orgelstücken von Johann Sebastian Bach und dem modernen libanesischfranzösischen Komponisten Naji Hakim.

 

Barocke Repräsentation

Strahlende Fanfarenklänge in Dur von unbekannten Barockkomponisten wie Johann Ernst Altenburg oder Bartholomäus Riedl suggerierten majestätische Auftritte in barocken Festsälen mit wirkungsvoller, repräsentativer Pracht sowie ein weihnachtliches Kindleinwiegen. In der seltenen Formation von sechs Barocktrompeten zeigten sich die Musiker als wahre Meister ihrer schwierig zu blasenden Instrumente. Die Schlagzeugerin brillierte zudem in einem solistischen Paukenmarsch aus dem 17. Jahrhundert von Philidor le Cadet. Zwei Fugen und eine Triosonate von J. S. Bach spielte der Organist hektisch auf äussere Virtuosität bedacht, was ein stabiles Ausschwingen innerhalb der Musik vermissen liess, ebenso wenig vermochte die Registrierung der melodiösen Triosonate als unausgewogener Spaltklang von mehreren Oktaven zwischen den Randstimmen zu überzeugen. Umso mehr gefiel seine Interpretation von Naji Hakims effektvoller Toccata über «Sankt Martin, dir ist anvertraut», welche er mit spielerischer Leichtigkeit meisterte. Im zweiten Teil liess sich das Ensemble mit Orgelcontinuo von der Empore hören. Wohlklingende, festliche Barockmusik für zwei bis fünf Trompeten von anonymen Komponisten, zum Teil im italienischen Stil, brachte harmonisch abwechslungsreichere Kompositionen zum Erklingen und sorgte zusammen mit einer doppelchörigen Ouvertüre aus Händels «Wassermusik» als Zugabe für einen festlich strahlenden Ausklang. «Glaube, Liebe, Hoffnung», diese drei Begriffe waren auf Täfelchen vor der Krippe aufgestellt, dazu gesellte sich noch «Friede».

 

Das nächste Konzert gestaltet das Schaffhauser Barock-Quintett am Sonntag, 18. Februar, 17 Uhr.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten - 30. Dezember 2017

Nicolas Senn, der Tausendsassa mit dem Hackbrett

 

Ausverkauftes Konzert in der Klosterkirche Paradies: Volksmusiker Nicolas Senn begeisterte sein Publikum

Mit dem erfolgreichen Konzept der Veranstalter der Konzerte in der Klosterkirche Paradies, etwas für jeden Geschmack zu bieten, war im dritten Konzert der diesjährigen Saison der populäre Appenzeller Volksmusiker Nicolas Senn mit seinem Hackbrett zu Gast.

 

Offenbar ist er bereits ein Star im In- und Ausland, der junge, gut aussehende Hackbrettvirtuose Nicolas Senn mit seinen schmucken Accessoires der Appenzeller Sennentracht: die rote, goldbestickte Weste mit weissem Trachtenhemd, Hosenträger mit messingbeschlagener „Chüehlibruscht“, mehrreihige silberne Uhrenkette und natürlich das obligate einseitige Goldlöffeli am Ohr, die „Ohrschuefe“. Stürmischer Applaus in der bis zum hintersten Platz ausverkauften Klosterkirche begleitete ihn bereits bei seinem Eintreten, schon war der Boden für eine ansteckende Hochstimmung gelegt. Von diversen Fernsehsendungen kennt man ihn, er spielt an Staatsempfängen und in den abgelegensten Ländern der ganzen Welt. Dies verdankt er seiner einmaligen, atemberaubenden Virtuosität auf dem Appenzeller Hackbrett (einem der Zither verwandten Saiteninstrument, das mit Hämmerchen angeschlagen wird) und seinem unwiderstehlichen lausbübischen Charme mit träfem Mutterwitz.

Seit seiner Kindheit hat er Musikalität und Rhythmusgefühl im Blut und die heimatverbundene Liebe zur Volksmusik, welche er querbeet durch die unterschiedlichsten Musikstile, als spannender Mix aus alt und neu, mit hohem Können weiterentwickelt hat. Vor unseren Augen und Ohren entfaltete sich ein buntes Panorama mit populären Themen von Soundtracks und Folklore verschiedener Provenienzen, die er zu einem Potpourri aus Alpsegen, Zäuerlis und Ländlern seiner Heimat raffiniert vermischt. Man fühlte sich an verschiedene Schauplätze versetzt: Appenzeller Volksfeste, Jazzsessions, Rock’n’roll- und Heavy Metal-Events, begegnete Doktor Schiwago, Zorba le Grec, James Bond oder dem „dritten Mann“, liess sich von südamerikanischen Rhythmen oder einem heissblütigen ungarischen Csardas mitreissen. Das Hackbrett erinnerte an russische Balalaikas, griechische Bouzoukis, Rock-Gitarren, wienerische Zithermusik oder das schwermütige Cymbal des Balkans. Nicolas Senn bewegte die Zuhörer spontan zum Mitklatschen und zu Jodeleinwürfen. Den begeisterten Applaus verdankte er mit mehreren Zugaben, die er besinnlich mit dem Appenzeller Landsknechtslied beschloss.

 

Am Donnerstag, 28. Dezember um 17.00 Uhr  wird es weihnachtlich mit dem Barocktrompeten-Ensemble Ostschweiz

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Bote vom Untersee und Rhein - 17. November 2017

Argentinische Volksmusik – raffiniert-farbig arrangiert

 

Die Konzertreihe in der Klosterkirche Paradies bietet für jeden Geschmack etwas. Im zweiten Konzert der Saison gab es Volksmusik aus Argentinien mit dem «trío 9 de julio», das zuvor den Namen «Trio Arazon» trug.

 

Etwas ungewohnt für folkloristische Popularmusik war der Rahmen der barocken Klosterkirche schon … doch ganz abwegig auch wieder nicht: Der jetzige Papst stammt ebenfalls aus Argentinien, wo der katholische Glaube im grössten Teil der Bevölkerung noch tief verwurzelt ist und wo sich wunderschöne barocke Kathedralen befinden.

Die zündende, weitverbreitete música popular wird in Argentinien jedoch üblicherweise in Restaurants oder Bars  gespielt, wo sie die Leute mitreisst, und kaum in der frommen Umgebung eines feierlichen Kirchenraums wie am Sonntagabend. Umso mehr findet sich in der Klosterkirche Paradies eine hervorragende Akustik. Trotzdem war es  nicht ganz einfach, bei den kühlen Temperaturen ausserhalb und innerhalb der Kirche die Zuhörer mit heissen Rhythmen aufzuheizen, zumal jene nicht in allzu grosser Anzahl erschienen waren. Dabei waren es drei fantastische, hochprofessionelle Musiker mit klassischem Hintergrund, die dem Publikum die glutvolle, lebensfrohe, vorwiegend spanisch geprägte südamerikanische Musik mit afrikanischen und osteuropäischen Einflüssen aus Argentinien, dem Schmelztiegel verschiedener Kulturen, näherbrachten.

Von Milonga bis zum Walzer

Annette Rüegg zeigte sich als wandlungsfähige Geigerin, die ihre Melodien mit schwärmerischem Schmelz und rhythmischem Drive herüberbrachte. Jojo (Johanna) Kunz faszinierte als Temperamentsbündel und Vollblutmusikerin mit grosser Ausstrahlung am Kontrabass (anderswo tritt sie auch als hervorragende Pianistin auf), und Thomas Jaeger, der erst seit Kurzem im Trio mitspielt, versetzte mit seiner Virtuosität als vielseitiger Gitarrist in Erstaunen. Wie aus einem Guss gaben die munteren, klanglich hochkultivierten Musikanten Tänze und Weisen unter Bezeichnungen wie Milonga, Chacarera, Gato, Quito, Pasodoble, Zamba, Tangos und Walzer frisch von der Leber weg zum besten. Ebenso charmant waren auch ihre ungezwungenen, spontanen Kommentare im Verlauf des Programms.

Die Stücke erklangen in raffinierten und kunstvoll farbigen Arrangements des jungen Argentiniers Sebastián Gangi, der diese eigens für das Trio gesetzt hatte. Nach sympathischen Verdankungen seitens der Musiker kam das Publikum mit zwei Zugaben noch einmal voll auf seine Rechnung. Es war eine herzerwärmende, fröhliche, unterhaltsame Stunde mit ansprechender Musik – dargeboten von hervorragenden Interpreten.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten -1. November 2017

Zurück zu den Anfängen der Musikgeschichte

 

Schloss man während der Gesänge die Augen, wähnte man sich in einer romanischen Klosterkirche inmitten einer psalmodierenden Gruppe von Mönchen. Klosterkirche stimmte ja …, allerdings war es die barocke Klosterkirche Paradies, und die «Mönche» trugen weder Kutten noch Kapuzen. Es waren die acht Mitglieder der Schola Gregoriana Scaphusiensis, ein Ensemble, das der Schaffhauser Kantor, Organist und immer wieder originelle Wege suchende Kirchenmusiker Christoph Honegger vor 17 Jahren zur Pflege des gregorianischen Gesangs gegründet hat.

Begegnung mit Fremdgewordenem

Honegger ist seit zwei Jahren auch der Intendant der sechsteiligen Konzertreihe, mit der der Verein der Freunde der Klosterkirche Paradies dem historischen Gotteshaus kulturelles Leben einhaucht. Und so steht im Angebot oft Spezielles wie nun auch am vergangenen späten Sonntagnachmittag zu Beginn der Saison 2017/18: Es führte die in stattlicher Zahl ins Paradies gekommene Zuhörerschaft in die Welt der Gregorianik, die vor mehr als tausend Jahren am Anfang der abendländischen Musikentwicklung stand.

Das brachte die Begegnung mit uns fremd Gewordenem wie der Monodie, dem einstimmigen, unbegleiteten (lateinischen) Kirchengesang, den damaligen Kirchentonarten oder dem klaren, schnörkellosen Ton mit eigenartigen, für unser heutigen Ohren monoton wirkenden Modulationen. Es erforderte genaues Hinhören, um im musikalischen Ausdruck von Freude und Schmerz, Jubel und Trauer die entscheidenden Differenzierungen zu erkennen. Doch die Schola Gregoriana Scaphusiensis half dabei, indem sie die neun ausgewählten gregorianischen Gesänge in die Folge der Feste im Kirchenjahr einordnete und so erkennbar machte.

Nabelschnur in die Gegenwart

Die zweite, sehr geglückte Idee des Programms bestand in einer Nabelschnur, welche die Gregorianik mit der Musik der Renaissance und des frühen Barocks bis hin zur Gegenwart verbindet. Dazu gehörten die an Anfang und Ende gesetzten, von Christoph Honegger gespielten Orgelstücke (Partiten des norddeutschen Barockkomponisten Georg Böhm sowie Präludium und Fuge in G-Dur von Johann Sebastian Bach), dann die kurzen, fröhlichmelodiösen Tänze für Flöte und Orgel aus der Zeit des beginnenden 17. Jahrhunderts und vor allem zwei eindrucksvolle Improvisationen der Flötistin Beatrice Kunz, die es fertigbrachte, den gregorianischen Ton aufzunehmen und in seiner kontemplativen Ruhe weiterzutragen, bis er zur zeitlosen Musiksprache wurde.

Dass der gregorianische Gesang für seine Interpreten einige Stolpersteine bereithält, nicht nur bezüglich Reinheit bei den schwierigen Intervallen, sondern vor allem mit Blick auf die Präzision, die zur strikten Einhaltung eines Unisono erforderlich ist, blieb beim Auftritt der Schola Gregoriana Scaphusiensis nicht verborgen. Doch es gelang den acht Sängern und Christoph Honegger, der die Soli vortrug, ein authentisches Klangbild zu vermitteln, das die Zuhörerschaft in die spirituelle Tiefe dieser Musik entführte. Und das war ein Erlebnis.

 

 

Martin Edlin - Schaffhauser Nachrichten - 26. September 2017

Apartes Duo mit Harfe und Cello

 

Im letzten Konzert der Saison von «Kultur in der Klosterkirche Paradies» traten die jungen, hochbegabten Geschwister Flurin und Selina Cuonz mit Violoncello und Harfe auf. Blütenteppiche mit Frühlingsprimeln rund um die Kirche luden dazu ein, «das schwere Herz» frühlingshaft zu befreien, wie es der «hebräische Gesang» Robert Schumanns im Konzert versprach. Dies gelang den Musikern in wunderbarer Weise. Im exklusiven, zarten Zusammenklang von Cello und Harfe, die den üblichen Klavierpart ausführte, entstanden Kleinode von ­berührendem Ausdruck und inniger Gestaltungskraft.

Drei Lieder von Robert Schumann spielte Flurin Cuonz auf dem Cello – mit sonorem Klang, hoher Musikalität, Souplesse, wohldosiertem Vibrato und makelloser Intonation. Dies verschmolz durchsichtig mit der delikaten Klanglichkeit der Harfe, um schwelgerisch erneut aufzublühen. Meditative Ruhe strahlte der «Hebräische Gesang» aus, wo Selina Cuonz laut Text «mit Lautentönen das Herz betörte und bezauberte».

Frühlingsgefühle heraufbeschworen

Das Requiem op. 90 nach einem Mittelalter über die grosse Liebende Heloise spielte der Cellist mit schwärmerischer Empfindsamkeit. Die «Engelsharfe», wie es im Text heisst, begleitete er mit ätherischem Klang, der schwerelos durch den Kirchenraum schwebte. Im «Nussbaum» wurden dann Frühlingsgefühle und Liebessehnsucht heraufbeschworen. Und die Sonate von Franz Schubert für Arpeggione (und Klavier) musizierte der Cellist in grosser Verinnerlichung. Anklänge an die melancholische Stimmung der «Winterreise» und volkstümliche Liedhaftigkeit liessen sie zu einem «typischen Schubert» werden, dem anrührenden, viel geliebten lyrischen Komponisten.

Mit dem Duo für Violoncello und Harfe aus dem Jahr 1984 von Ysang Yun entfaltete sich ein musikalisches Zwiegespräch: farbig und voller Leben, erst inneres Aufbäumen, dann Resignation und schliesslich Versöhnlichkeit. Sechs spanische Stimmungsbilder von Manuel de Falla aus dem Jahr 1914 über Leidenschaft, Liebesschmerz und Liebesglück – die Harfe erinnerte dabei an Gitarrenklänge – sowie die empfindsame Zugabe des Schumann-Lieds «Du bist wie eine Blume» bildeten den Abschluss des beglückenden Konzerts.

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann -Schaffhauser Nachrichten - 21. März 2017

Kammermusikperlen – virtuos gespielt

 

In der Klosterkirche Paradies in Schlatt gastierte am Sonntagabend das Streichquintett „quintetto animato“ mit einem anspruchsvollen Programm.

Als «quartetto animato» spielen die professionellen Musiker, die alle in der Region unterrichten, schon seit 2007 zusammen: Erich Meili (erste Violine), Christiane Kegelmann (Violine), Anna Katharina Rebmann (Viola) und Jürg Bachmann (Violoncello). Für die Quintettformation fügte sich Sebastian Vogler mit zweiter Viola in das glänzend aufeinander eingespielte Ensemble nahtlos ein. Gemeinsam brachten sie wahre Perlen hochstehender Kammermusik auf Spitzenniveau zu Gehör.

Unerhörte Meisterwerke

Mit der Ouvertüre in c-Moll D 8 als ausdrucksvolles, geniales Frühwerk des erst 14jährigen Franz Schubert erschlossen die Musiker eindrücklich den ganzen Gefühlsreichtum von Weltschmerz sowie Sturm und Drang des hochbegabten Schülers. Mit grosser, durchgetragener Ruhe und jugendlicher Verve im zweiten Teil musizierten sie den Satz mit feinen Nuancen. In einer Transkription für Streichquintett erklang das wunderschöne Adagio KV 411 von Wolfgang Amadeus Mozart, das sich durch ausdrucksvolle Tiefe auszeichnete. Mozart hatte es für Feierlichkeiten seiner freimaurerischen Logenbrüder komponiert.

Eine ebenso selten zu hörende Kostbarkeit war Franz Bruckners Intermezzo in d-Moll. Das spätromantische, klangschöne Stück war von getragenem Charakter und fluktuierte schillernd durch die Tonarten mit weiten Spannungsbögen über einem Geflecht von Farben und zarten Begleit­effekten als typische Stilmerkmale der «neudeutschen Schule».

Gewichtiges Streichquintett

Noch ein Werk eines genialen Frühvollendeten kam mit dem Streich- quintett op. 18 des erst gut 20jährigen Felix Mendelssohn zur Aufführung. Es war schwer verdauliche Kost sowohl für das Ensemble als auch für die Zuhörer. Die Musiker meisterten das ­umfangreiche, gehaltvolle Werk mit Temperament, musikalischem Einfühlungsvermögen, liebevoller Gestaltung, hoher Virtuosität und konzentriertem, ausgewogenem Zusammenspiel. Der spritzigleicht gespielte, komplexe Schlusssatz wurde in rasendem Tempo zu einem schwindelerregenden Kehraus. Erst während des dankbaren Applauses, der auch den Mut honorierte, selten zu hörende Stücke abseits ausgetretener Pfade aufzuführen, konnten alle entspannt aufatmen.

Am Sonntag, 19. Märzfindet das letzte Konzert in dieser Reihe statt. Dann spielen die Geschwister Selina und Flurin Cuonz, Harfe und Violoncello.

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann -Schaffhauser Nachrichten - 21. Februar 2017

Ein musikalisches Feuerwerk

 

Wie jedes Jahr wurde das Konzert zwischen Weihnachten und Neujahr in der festlich geschmückten Klosterkirche Paradies zu einem stimmungsvollen Anlass. Zu Gast waren Aleksandra und Alexander Grychtolik, ein Duo, das von Kritikern auch als «Künstlerehepaar mit den magischen Händen» bezeichnet wird. Zwei wunderschöne, reich verzierte Cembali waren spiegelbildlich einander zur Seite aufgestellt, was den beiden Solisten aus Deutschland den direkten Blickkontakt zueinander und ein präzises Zusammenspiel ermöglichte.

Als Spezialisten der Barockimprovisation und -interpretation geniessen die beiden internationales Renommee. Ausgehend von der wunderschönen Aria aus Johann Sebastian Bachs Goldbergvariationen, spielten sie zu zweit 14 kurze Canons quasi als Demonstration kontrapunktischer Kompositionstechniken. Eine Chaconne von Antonio Bertali legte darauf den Grund für fulminante gemeinsame Improvisationen über ein absteigendes Bassmotiv. Von Johann Sebastian Bach spielte Aleksandra Grychtolik ein gross angelegtes, hochvirtuoses Präludium aus einer Partita in d-Moll.

Nach einer Pause, in der vor der Kirchentür Glühwein und feiner Christstollen dargereicht wurden, spann Alexander Grychtolik die Tonart in frei improvisierten Suitensätzen weiter. Hier gefielen die feine Durchhörbarkeit und die Gelöstheit des Cembalisten. Das beeindruckende Feuerwerk über eine Sonate von Pasquini und ein Ritornellkonzert mit hochvirtuosen solistischen Einschüben und Motiven aus bekannten Solokonzerten von Bachs Vater und Sohn beschloss die Vorführungen.

Doch warum wurde man als Zuhörer nicht richtig warm? Weil es vordergründig um die gewollte Demonstration musikalischer Kunstfertigkeiten ging, oder weil der metrische Puls nie richtig zum Ausschwingen kam, zuweilen sogar noch mit Accelerandi unruhig angeheizt wurde? Eigentlich würde die besinnliche Nahrung für das Gemüt die Konzertbesucher zur Weihnachtszeit am meisten beglücken …

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann -Schaffhauser Nachrichten - 31. Dezember 2016

Festliche frühbarocke Musik

 

Seit bald 20 Jahren tritt das renommierte Ensemble für Alte Musik „il desiderio“ mit Musik aus Renaissance und Frühbarock auf. Gründer und Leader ist Hans-Jakob Bollinger, der in Löhningen aufgewachsen ist. Im dritten Konzert der Reihe „Kultur in der Klosterkirche Paradies“ trat das Ensemble in kleinster Besetzung zu viert auf.

Bollingers Instrument ist der Zink, ein altertümliches Blasinstrument aus Holz, mit Leder oder Pergament überzogen. Klanglich und spieltechnisch gilt es als Zwitter zwischen Trompete und Blockflöte. Mit ihm musizierten drei weitere hochqualifizierte Spezialisten für Alte Musik: Susann Landert, Dulzian, dem Vorläufer unseres heutigen Fagotts, Vincent Flückiger, Theorbe, einer historischen Basslaute, und Daniel Rüegg, Orgel. Durch den abwechslungsreichen Einsatz ihrer Instrumente erzielten sie verschiedene Klangfarben, sei es im Quartett, im Duo von Zink (Sopranstimme) beziehungsweise Dulzian (Bassregister) mit der Orgel, oder in Solostücken von Theorbe und Orgel (die sowohl am Orgelpositiv als auch von der Hauptorgel der Kirche erklang).

Auch wenn meisterhaft musiziert wurde, so machte sich trotzdem zunehmend der Eindruck breit, dass ausschliesslich solche Musik auf die Dauer doch etwas ermüdend wirkt. Sie enthält zwar viele schöne Details, hat aber kaum Möglichkeiten für dynamische Kontraste.

 

Unbekannte Werke Alter Musik

  

Als stimmungsvolle, höfische Musik des 16. und 17. Jahrhunderts im prächtigen Ambiente der Barockkirche erklangen Kompositionen im italienischen Stil der Monteverdi-Zeit. Typisch für sie ist Klangschönheit und reiche, virtuose Ornamentik (Diminutionen), ein Stilmittel der Renaissance. Der Name dieses Ensembles für Alte Musik schürte entsprechende Erwartungen. Übersetzt bedeutet „Il desiderio“ soviel wie „der Wunsch, das Verlangen“. Ein paar illustrative Kommentare zu den einzelnen Stücken und etwas mehr leidenschaftliches Temperament in der Performance wären in der eher akademischen Wiedergabe willkommen gewesen, um den göttlichen Funken entzünden und überspringen zu lassen.

Die verschmitzte Anmerkung vor der Zugabe am Schluss des Konzerts (eine Ciacona über ein italienisches Madrigalthema): „Es goht um Liebi und so Züüg!“ wurde zum wohltuenden „Seelenwärmerli“ für das dankbare Publikum, welches sich an dem unwirtlichen, grauen Novembertag in die kühle Klosterkirche Paradies aufgemacht hatte.

 

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Bote vom Untersee und Rhein  18. November 2016

Virtuos musizierte Barockmusik

 

Hinter der Bezeichnung «Gioco barocco» (barockes Spiel) verbirgt sich ein Kammerensemble von hochqualifizierten Musikern aus der Region Schaffhausen. Sie musizierten am Sonntagabend in der Klosterkirche Paradirs vielfältige Musik von Antonio Vivaldi und   Johann Sebastian Bach.

Annemarie Rohr, Traversflöte, Johannes Pfister, Barockvioline, Simon Burr, Barockcello, und Nuno Miranda,  Lauteninstrumente, sind seit Jahren ein wunderbar aufeinander eingespieltes Team. Annemieke Cantor, Ehe- und Musikpartnerin des Lautenisten, bereicherte das Programm mit ihrer schlichten, warmen, beinah androgynen Stimme. Weit entfernt vom bombastisch schwergewichtigen Timbre primadonnenhafter Altistinnen, fügte sie sich ausgewogen in das durchsichtige Klangbild der solistischen Instrumentalbesetzung ein.

 

Vivaldi in allen Facetten

 

Berührend sang sie drei Sätze aus der eindrücklichen Vertonung des Psalms 126 «Nisi Dominus» von Antonio Vivaldi. Ihre Interpretation des geheimnisvollen «Cum dederit», eines getragenen Moll-Satzes von absoluter Schönheit, ging unter die Haut. Sie beschloss das Werk mit einem jubelnden, melismatisch virtuosen «Amen». Für venezianische Lebenslust standen zwei Solokonzerte des Komponisten. «Il Cardellino » (Distelfink), sein berühmtes Virtuosenkonzert für Flöte, spielte Annemarie Rohr souverän. Das muntere Vögelchen trillerte mit rokokohafter Verspieltheit, machte musikalische Kapriolen und entzückte mit seinem Gesang im lieblichen Sicilianosatz.

 

Ebenso zu einem «Gioco virtuoso» wurde das fröhliche Mandolinenkonzert mit Nuno Miranda als Solist. Es war bezaubernd, was er mit seiner Virtuosität aus dem zierlichen Zupfinstrumentchen, das sonst klanglich nicht eben viel her gibt (im Barock noch ohne neapolitanisches Tremolo), herausholte. Die Arie «Buss und Reu» aus der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach ist dagegen von unvergleichlicher Tiefe. Vor allem Johannes Pfister an der (umgeschriebenen) Solovioline stellte die Seufzermotivik packend dar. Das Ensemble, mit Soli und Generalbass, begleitete die Sängerin auch hier mit grosser Einfühlsamkeit. Zu einem Höhepunkt wurde die Sonate in g-Moll für Flöte, Violine, Cello und Generalbass, wo sich die Instrumente ebenbürtig plastisch entfalten konnten. Das Publikum spendete begeistert Applaus.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten  1. November 2016

Virtuoses Flötenspiel und orchestrale Farbenpracht

Begeisterten in der Klosterkirche Paradies: Lina Stahel, Blockflöte, Alex Jellici, Barockcello, Emanuele Forni, Lauteninstrumente, und Jermaine Sprosse, Cembalo.

 

Zum Auftakt der Konzertreihe 2016/2017 in der Klosterkirche Paradies war das stilkundige Lina Stahel Quartett zu Gast. Die junge Beringerin begeisterte an der Seite von drei Spezialisten für Alte Musik.

 

Seit der Wiederentdeckung der historischen Auführungspraxis  Alter Musik auf Originalinstrumenten ist das berüchtigte Image der Blockflöte als Anfängerinstrument, sprich «Speuzchnebel», von Generationen geplagter Schulkinder, glücklicherweise verschwunden. International gefeierte Stars der Renaissance- und der Barockmusik haben die «Flauto dolce», wie sie wegen ihres mildsüssen Klangs im Fachjargon auch bezeichnet wird, als durchaus ernst zu nehmendes, hochstehendes Virtuoseninstrument bekannt und beliebt gemacht. Lina Stahel darf einige davon zu ihren Lehrmeistern zählen. Auch in ihrem Ensemble befanden sich hochkarätige Musiker: Alex Jellici, Barockcello, Emanuele Forni, Lauteninstrumente, und Jermaine Sprosse, Cembalo, die mit ihr ­zusammen wie aus einem Guss musizierten. Stark ausgeprägte Körperbewegungen begleiteten zu Beginn das Spiel der vermutlich etwas aufgeregten Solistin, die sich im Verlauf des Konzerts allmählich ergaben – oder man hatte sich daran gewöhnt. Vom französischen Barockkomponisten Jacques Martin Hotteterre gestaltete sie mit Elan und Drive eine mehrsätzige Suite für Soloflöte, die der Cembalist farbig und fantasievoll begleitete. Zwei fast artistisch manierierte Diminutionen über Liebesmadrigale der Renaissance von Cipriano de Rore und Palestrina wurden zu einem Feuerwerk der Virtuosität.

 

Kontrastierender Akzent

 

Als interessantes Gegenstück spielte Lina Stahel die zeitgenössische Komposition «Alrune» für Blockflötensolo von Roland Moser, welche die spieltechnischen Möglichkeiten ihres In­strumentes aufzeigte mit Echo- und Anblaseffekten, Glissandi und erweiterter Tonskala, alles im archaisch minimalen Tonumfang von einer Quint.

Musik des Hochbarock bestimmte den zweiten Teil des Konzerts. Über einem Passacagliabass entfalteten und steigerten sich wahre «Bizarrerien» buchstäblich bis zur Trance. Ein wunderbar improvisatorisch freies Prélude mit metrisch gebundenem Teil für Cembalo begeisterte durch musika­lischen Einfallsreichtum und cemba­listische Effekte. Mit orchestraler Farbenpracht des gesamten Ensembles ­erklang eine Sonate von Ignazio Sieber mit rasend schnellem Schlussallegro. Und last, but not least: fröhliche keltische Volksmusik in barocker Manier von Francesco Geminiani als apartes Schmankerl zum Dessert.

 

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten  27. September 2016

 

Tango und Milonga – dargeboten mit viel Leidenschaft

Zum Abschluss der diesjährigen Konzertreihe in der Klosterkirche Paradies zeigte die künstlerische Leiterin Marianne Sigrist mit randvollem Haus einmal mehr ein glückliches Händchen bei der Programmgestaltung. Das Motto der Konzertsaison lautete «Spuren».

Während dreizehn Jahren, von Anbeginn der «Kultur in der Klosterkirche Paradies», hatte die Musikerin Marianne Sigrist mit viel Sachkenntnis und Entdeckerlust die inzwischen gut besuchte Konzertreihe aufgebaut. Sie bot eine vielseitige Mischung von klassischer Musik bis zu Crossovers für alle musikalischen Vorlieben unter der Voraussetzung, dass die Mitwirkenden ein hochstehendes Niveau vorwiesen. Die beispielhafte Arbeit, worin viel von ihrem Herzblut steckte, wird beim Publikum ihre Spuren in angenehmster Erinnerung hinterlassen. Sie legt die Aufgabe nun in andere Hände.

«Tango hoch 2» lautete der Titel des Programms von Vater und Sohn Zisman, die schon seit 20 Jahren miteinander auftreten. Daniel ist Argentinier und klassisch ausgebildeter Geiger, Bandleader und Komponist. Er spielte mit singendem Ton auf einem Instrument, das der Schaffhauser Chirurg Wolfgang Steinke gebaut hatte. Zismans Sohn Michael wurde in der Schweiz geboren und erregte schon als Wunderkind mit seinem Bandoneon Aufsehen, das er als «Argentinisches Schwizerörgeli» bezeichnet. Er schloss an der Jazzschule in Bern im Fach Komposition und Arrangement ab und hat als einer der Besten seines Instruments internationales Renommee.

Mit tanzbaren argentinischen Tango- und Milonga-Klassikern, in Anlehnung nachempfundenen Eigenkompositionen und natürlich der Musik des grossen Astor Piazzolla haben sich die zwei temperamentvollen Vollblutmusiker ganz der Empfindungswelt ihres Ursprungslandes verschrieben. Nein, der Tango Argentino ist keine seicht dahinplätschernde Tanzmusik.

Mit schwermütig geschmeidigen Melodien im Wechsel zu messerscharfen Akzenten, gemeisseltem Taktgefüge und virtuosen Überleitungen von unglaublicher Leichtigkeit ist er eine Kunstform von höchstem Ernst, was auch der Mimik der beiden abzulesen war. Dahinter ahnte man vulkanisches Brodeln von heissblütiger Leidenschaft und unbändiger Lebenslust in den packend synkopierten oder locker beschwingten Passagen. Mit stupender Technik bewegte sich der Geiger auch in höchsten Registern und setzte Töne wie Flageoletts, rhythmische Geräusche und sonstige Überraschungseffekte ein. Sie brachten zwei Zugaben, um das Publikum endlich zufriedenzustellen.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten  15. März 2016

 

Musikalische Sternstunde in der Klosterkirche

«Interpretation-Improvisation», so lautete der Titel eines gemeinsamen Konzerts der Schaffhauser Geigerin und Komponistin Helena Winkelman und des Ostschweizer Bach-Spezialisten Rudolf Lutz in der Klosterkirche Paradies in Schlatt. Unter den zahlreichen Konzertbesuchern waren am Sonntagabend besonders viele musikalische Fachpersonen zu entdecken, die sich den aussergewöhnlichen Ohrenschmaus nicht entgehen lassen wollten. Helena Winkelman spielte auf einer kostbaren Ruggeri aus dem Jahr 1687, Rudolf Lutz auf einem vollklingenden Cembalo aus der Werkstatt von Markus Krebs, Schaffhausen. Was sie mit lockerer, überschäumender Musizierlust, fachlicher Kunstfertigkeit und spitzbübischem Charme darboten, versetzte die Zuhörer in fassungsloses Staunen und entlockte nicht selten ein leises Schmunzeln.

Bezeichnend war, dass sie zwei Violinsonaten von Johann Sebastian Bach mit Basso-Continuo-Begleitung und nicht mit auskomponiertem obligatem Cembalo ausgewählt hatten. Hier konnte Rudolf Lutz anschaulich demonstrieren, wie eine vorgegebene Basslinie durch Spielmöglichkeiten, Fantasie und Kreativität zu einer konzertanten Cembalobegleitung aus dem Stegreif ergänzt wird, wo Generalbassspiel und Improvisation fliessend ineinander übergehen. Mit figurativen Akkordbrechungen, Gegenstimmen, Imitationen, variantenreichen Arpeggien, vollgriffigen Akkordverdoppelungen und Verzierungen zog Lutz buchstäblich alle Register des zweimanualigen Instruments.

Auch Helena Winkelman zeigte sich vertraut mit dem Vokabular der historisch informierten Aufführungspraxis punkto Bogentechnik, Vibrato- einsatz, Artikulation, Agogik, Umspielungen und Verzierungslehre. So erhielt auch die Corelli-Sonate ein farbiges Eigenleben – die langsamen Sätze mit inniger Kantabilität, die schnellen mit brillanter Virtuosität und Drive.

Mit vier spielerischen Improvisationen von Barock bis Jazz setzten Winkelmann und Lutz das physikalische Gesetz von Actio und Reactio in Musik um. Sie taten dies mit Schalk und überbordendem Einfallsreichtum nach Vorgaben aus dem Publikum.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten  16. Februar 2016

 

Wohlklingend und festlich strahlend

Die goldglänzende Barock­kirche Paradies war mit der Weihnachtskrippe und vier leuchtenden Christbäumen festlich geschmückt. Glühwein und Christstollen verbreiteten in der nebligen Nacht vor der Kirchentür weihnachtliche Stimmung. Fünf vielseitige Blechbläser unter dem Namen Philharmonic Brass Zürich beziehungsweise Generell5, allesamt an der ZHdK ausgebildete junge Profimusiker («vier Boys und ein Girlie»), hielten das zahlreich erschienene Konzertpublikum mit einem bunten Programm, garniert mit locker humorigen Zwischenkommentaren von Thomas Gmünder, zusätzlich bei Laune.

Der musikalische Bogen spannte sich von Barock, Spätromantik, spanischer und urchiger Schweizer Folk- lore über Marschmusik bis zu Jazz und Pop. Anita Grob, Christoph Luchsinger, Thomas Gmünder, Xaver Sonderegger und Markus Hauenstein spielten auf Trompeten, Waldhorn, Posaune, Euphonium und Basstuba. Einmalig war auch ihr Ensemble aus fünf Alphörnern. Wo sonst gibt es das zu hören? Vollklingend und strahlend wie das In- nere des Kirchenraums begann das Konzert mit der festlich barocken Feuerwerksmusik von Georg Friedrich Händel in einer Adaption für modernes Blechbläserquintett. In fünf höfischen Tanzsätzen zeigten die Musiker ihre Stilsicherheit bezüglich Artikulation und Tempowahl, dies ebenso im folgenden Ohrwurm von Johann Pachelbels beliebter Kanon-Passacaglia.

Überraschend folgte ein feuriger ungarischer Czardas, der anstatt eines virtuosen Violinensolos ungewohnt vom tiefen Bass der Tuba geblasen wurde. Auch des Russen Viktor Ewald anspruchsvolles Blechbläserquintett in drei Sätzen gestalteten die Musiker mit hohem Können. Im zweiten Teil traten sie in roten Jacketts, roten Sneakers und Blue Jeans auf. Ein fünfstimmiger Alphornsegen trug von hinten durch das Kirchenschiff. Gesungene Jodelzäuerli und lüpfige Appenzeller Musik mit Klanglöffeln bezogen das Publikum räumlich mit ein. Auch mit der komödiantischen Darbietung von konzertanter Blasmusik und temperamentvoller spanischer Folklore ernteten die Musiker stürmischen Applaus. Sie verdankten ihn mit einem fetzigen Dixieland-Arrangement von «Hello Dolly» und setzten mit dem Zürcher Sechseläutenmarsch den Schlusspunkt, nicht ohne noch auf ihr nächstes Konzert am 15. Januar in Wilchingen hingewiesen zu haben.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten  30. Dezember 2015

 

Im Zeichen von Feuer und Eis

Es war ein feuriger Auftakt des sechsköpfigen Kammermusikensembles ­Camerata Variabile zur Konzertreihe – und dies gleich in vielerlei Hinsicht. Einerseits war das Konzert unter dem Titel «Feuer-Ignis» dem Element Feuer gewidmet, während die weiteren Konzerte dann die anderen Elemente aufgreifen werden. Andererseits gleicht die vorwiegend isländisch geprägte Musik zeitweise einem lodernden Feuer, dann wieder einem geheimnisvollen Flämmchen. Nicht zuletzt wortwörtlich feurig war das Konzert in der Klosterkirche Paradies, weil am Schluss des Konzertes ein Feuer entfacht wurde.

Raumfüllende Klänge

Den Auftakt machte die Musik eines Norwegers. Mit Edvard Griegs Streichquartett Nr. 2 in F-Dur brachte das Ensemble eines der nicht vollendeten Stücke Griegs zu Gehör. Der Auftakt des Sostenutos war eine hervor­ragend herausgearbeitete Vielfalt an Dynamik. Erklangen die Violinen von Helena Winkelman und Mirka Scepanovic erst feinfühlig, ja zerbrechlich, so setzte das Spiel von Alessandro D’Amico an der Viola und Christoph Dangel am Violoncello im Allegro ­vivace e grazioso einen temperamentvollen Kontrapunkt. Das Allegro scherzando, den zweiten – und leider bereits letzten – Satz gestalteten die Musiker als tolles Wechselspiel von energischen und elegischen Passagen.

Dann kam der Gast aus Island, Steindor Andersen, hinzu. Er ist bekannt als Rimur-Sänger. Rimur sind balladenartige nordische Reimgedichte. Das ist eine andere Art Gesang, als man ihn von in unseren Breiten­graden ausgebildeten Sängern kennt. Bereitete beim ersten Stück «Die Berge im Osten» das Violoncello einen warmen und soliden Boden, so sorgte die tiefe, erdige Stimme von ­Andersen dann für eine wahrhaft ­mystische ­Atmosphäre. Helena ­Winkelmans ­Arrangement für das Ensemble spielte nicht nur beeindruckend, sondern schuf wahre Geräuschkulissen. Immer aber wenn die Stimme Andersens erklang, nahmen sich die Instrumentalisten zurück: ein tolles Zusammenspiel.

Kunstübergreifender Schluss

In Anlehnung an ein isländisches Volkslied kam es dann auch noch zu einer Uraufführung. Die Auftragskomposition der Schweizerin Caroline Charrière namens Feux war zu Beginn ein leicht züngelndes musikalisches Feuer, das mit dem Pizzicato der Streicher hörbar gemacht wurde. Im Tutti brach dann ein loderndes Feuer aus, das in – zuweilen zu schrille – Töne überging. Und wiederum war es eine beeindruckende Virtuosität, die die Musiker an den Tag legten.

Begeisterung beim Publikum weckte auch Steingrimur Rholoffs «Schtagededong». Zwar phasenweise grotesk klingend, war es mit höchster Beherrschung der Streicher und mit Karin Dornbusch an der Klarinette gespielt und bildete einen wahren Kontrapunkt zu den Rimur-Arrangements, wobei sogar die Instrumentalisten Winkelman und Dornbusch gesang­liche Künste unter Beweis stellten. Bei Claudio Putins «Hvert örstutt spor» (Jeder kleine Schritt) und «Huldufolk» für Violine und Klarinette zeigten die beiden im kongenialen Zusammenspiel Präzision bei hohem Tempo.

Es war ein sehr aussergewöhn­liches Repertoire, das die Kirche im Paradies füllte. Und aussergewöhnlich war dann auch der Schluss des ­Konzertabends. Denn der Künstler Vincenzo Baviera begleitete Andersen mit einem Sonnengang – ein Riesenrad mit Fackeln daran – in der eisigen Nacht von der Kirche bis an den Rhein, während in der Kirche der lang anhaltende Applaus allmählich verstummte.

Dario Muffler - Schaffhauser Nachrichten  24. November 2015

Subtiles Spiel mit Sprache und Musik - EIGETS

Sinniges und Hintersinniges bot die Gruppe Eigets am Sonntagabend bei ihrem Auftritt in der Klosterkirche Paradies in Schlatt.

Christian Schmid, der Berner, der in Schaffhausen seine zweite Heimat fand, ist Sprachforscher mit philosophischem, poetischem und musikalischem Gespür. Schon seit Jahren webt er in der Gruppe Eigets an einem Teppich aus Wort und Klang mit – zusammen mit äusserst vielseitigen Musikern: mit Christoph Greuter und der Emmentaler Familie Susanne ­Jaberg, Thomas Keller und Tochter Iris Keller.

Von Schmid, durch die Radiosendungen «Schnabelweid» als Mundartspezialist bekannt, stammten denn auch die am Sonntag in der Klosterkirche Paradies in Schlatt rezitierten Texte. Er überschrieb den Bilderbogen aus Wort und Musik mit dem Titel «Schpuure». Im ersten Text spürte er auf besinnliche Art mit Sprachspielereien den unzähligen Bedeutungen des Wortes nach. Dabei wurde er im Verlauf des Abends von ebenso unzähligen Volksmusikinstrumenten begleitet und untermalt. Die Vollblutmusikerinnen und -musiker spielten ohne Noten frisch von der Leber weg, vermutlich mit einem grossen Anteil an eigenem, so wie sich auch der Rezitator von Assoziationen hatte inspirieren lassen. Mit traditionellen Schweizer Liedern und lüpfigen Tänzen in ­altem und neuem Gewand, zum Teil auf skurrilen historischen Instrumenten wie dem Häxeschit, der Maultrommel und Halszithern, wurde mit Herzblut und Fantasie musiziert. Als Überhöhung diente die anrührend innige, glockenreine Sing- und Jodelstimme von Iris Keller.

Der Sprecher führte die gebannt lauschenden Zuhörer an Orte seiner Kindheit mit Betrachtungen über verwandte Wörter wie Platz-Blätz-Stell-Gstell-Statt-Stadt oder erinnerte sich schmunzelnd ans Haareschneiden von anno dazumal. Dazwischen ergaben sich musikwissenschaftliche Exkurse in die Instrumentenkunde alter Musikinstrumente oder erinnerten musikalische Anklänge an amerikanischen Folk oder melancholische osteuropäische Frauengesänge. Letztlich wirkten das berührend gesungene Liebeslied «Am Himmel steiht es Stärnli znacht» und das berndeutsche Gedicht «Es nachtet» in klassischen Hexametern von Christian Schmid noch lange in Gedanken nach.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten  28. Oktober 2015

Wiener Klassik in sensibler Vollendung - Trio Rafale

Um es gleich vorwegzunehmen: Das junge Klaviertrio, bestehend aus Daniel Meller (Violine), Flurin Cuonz, (Violoncello) und Maki Wiederkehr (Klavier), bot am Sonntagabend in der Klosterkirche Paradies Kammermusik auf einem Spitzenniveau, wie man sie selten zu hören bekommt. Das Trio kennt keine technischen Grenzen, es ist bis ins letzte Detail derselben musikalischen Auffassung und kann somit seine hohe Sensibilität vollendet ausleben: Alles ist reinster Ausdruck tiefer Empfindsamkeit und Authentizität.

Das Klaviertrio Nr. 39 in G-Dur von Joseph Haydn, auch als «Zigeunertrio» bekannt, stellten die Musiker an den Anfang. Mit schlichter Beseeltheit, liebevoll herausgearbeiteten Nuancen und wunderschöner Klanglichkeit erhielten die zwei ersten Sätze eine graziöse, durchsichtige Umsetzung des empfindsamen Stils, und das abschliessende «Rondo all’Ongarese» erfuhr eine temperamentvolle, atemberaubende Wiedergabe. Ludwig van Beethovens nicht minder berühmtes «Geistertrio», op. 70, Nr. 1, wurde mit ebenso intensiver musikalischer Ausstrahlung interpretiert, mit energiegeladener Virtuosität, perlendem Klavierspiel, feinsten Abstufungen und plötzlichen Stimmungswechseln. Geisterhaft dagegen war die gespenstische Attitüde des letzten Satzes mit düsteren Tremoli in selbstverständlicher, beiläufiger Virtuosität. In Franz Schuberts Adagio Es-Dur, einem auf den ersten Höreindruck barcarolenseligen «Notturno», das alsbald Stimmungs-umschwünge zu pianistischem Feuerwerk und introvertierter Tiefgründigkeit entwickelte, verdichtete sich das Konzert zu einer tieferen Dimension von emotionaler Intensität und purer Schönheit.

Eine Komposition des Japaners Toru Takemitsu von 1993 war der ruhende Pol des Programms. Meditative, frei tonale Klänge, Melodiefragmente, glitzernde Reflexe und schäumende Wellen ohne Taktgefüge flossen dahin und evozierten auf impressionistische Weise den weiten Blick über eine endlose Meeresoberfläche. Nach dem Verklingen des allerletzten Tons des Abends verharrte das Publikum ergriffen, bevor es zu begeistertem, lang anhaltendem Applaus ansetzte. Die Zugabe, Fritz Kreislers «Marche miniature viennoise», versetzte das Publikum mit Wiener Schmäh in herbstliche Heurigenlaune.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten  22. September 2015

Von Sonnenaufgang bis zum Abendstern - Chor 38

Einen fulminanten Schlusspunkt unter die diesjährige Konzertreihe «Kultur Paradies» setzte der Schaffhauser Chor 38. Die mehr als 30 Sängerinnen unter der temperamentvollen Leitung von Marei Bollinger spannten einen doppelten Bogen: musikalisch mit dem Fünftonintervall der Quint und thematisch durch die Zeitspanne zwischen Sonnenaufgang und Abendstern. Was sich die Frauen dazu an originellen Ideen einfallen liessen, ist schlichtweg nicht zu toppen.

Farbiges Hörerlebnis

Nur Frauenchor? Wie langweilig, mitnichten. Gemeinsam mit der Dirigentin und Blockflötistin Marei Bollinger trugen drei weitere musikalische Multitalente im kollegialen Team zu einem abwechslungsreichen Hörerlebnis bei. Anne Seiterle, Désirée Senn und Daniela David (auch Chorassistenz) boten ein umfangreiches Klang- spektrum an Gesang, Klavier, Akkordeon, Violine, Cello, Kontrabass und Perkussionsinstrumenten aller Art und führten die hohen Register der Frauen- stimmen hiermit zu prallem Leben. Eine sorgfältig einstudierte Choreografie verschiedener Aufstellungen und Gruppierungen sowie wirkungsvolle rhythmische bis halbszenische Gesten trugen das ihre dazu bei. «Wenn Frauen ins Paradies dürfen, schön!», ein Ausspruch der Chorleiterin.

Sehr saubere Intonation

Bei allen Darbietungen fielen der gepflegte Chorklang und die saubere Intonation auf, so konnten sich die Instrumente nach den A-cappella-Teilen im Einklang einfügen. Was das Konzert besonders attraktiv machte, waren die fantasievollen instrumentalen Überleitungen, welche die einzelnen Lieder nahtlos miteinander verbanden und die Themenblöcke zu einem runden Ganzen werden liessen. Zu bewundern war auch die grosse Gedächtnisleistung der Sängerinnen, welche das umfangreiche Programm mehrheitlich auswendig darboten, und dies notabene auch in estnischer, afrikanischer, fin- nischer, norwegischer, griechischer, spanischer und englischer Sprache.

Zündende Volkstanzweisen

Durch die mitreissende Ausstrahlung der Dirigentin gaben die Frauen mutig und mit sichtlicher Freude ihr Bestes, und auch das Publikum in der bis zum letzten Platz besetzten Kirche liess sich gerne zum Mitsingen und Mitklatschen anfeuern. Über besinn- liche, geistliche und sehnsuchtsvolle Lieder, Kuhreigen mit heiterer Lautuntermalung, zündende Volkstanzweisen bis zu heissen lateinamerikanischen Rhythmen heizte sich die Stimmung auf, um in einen lautstarken, begeisterten Schlussapplaus zu münden. Eine zweite Aufführung findet am 22. März in der Steigkirche Schaffhausen statt.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten 17. März 2015

Süditalienische Lebensfreude vermittelt - Tamburello Cafè

Kaffee gab es am Sonntagabend in der Klosterkirche Paradies keinen. Dafür eine charmante Darbietung süditalienischer Volksgesänge mit rhythmischer Begleitung verschiedenartiger Perkussionsinstrumente. Die vier italienischen Vollblutmusiker Andrea Piccioni, Gian Michele Montanaro, Roberto Chiga und Vincenzo Gagliani füllten als Tamburello Cafè mit heissen Trommelklängen und leidenschaftli-chem Naturgesang den feierlichen Kirchenraum mit glühendem Leben.

In der frühen christlichen Liturgie waren Trommeln lange Zeit in den weltlichen Aussenbereich verbannt. An diesem «Kirchenkonzert» durften sich Schlaginstrumente von verschiedener Couleur und Herkunft frei entfalten. Im Gegensatz zu den «todernsten» Trommlern und Pfeifern, welche an der Basler Fasnacht an das historische Landsknechtswesen erinnern, kam hier die urwüchsig ausgelassene Lebensfreude des leidenschaftlichen süditalienischen Lebensgefühls zum Ausdruck. Mit eigenen, raffinierten Rhythmusarrangements und fast artistischen Showelementen gaben die Musiker Moritaten, Lobeshymnen an ihr Land und ekstatische Tanzweisen zum Besten, welche vor allem Gian Michele Montanaro mit seiner hellen Naturstimme und Roberto Chiga inbrünstig vortrugen. Unverkennbar waren die verschiedenen kulturellen Einflüsse, welche die Musik im Schmelztiegel Süditaliens prägten.

Nuancenreiches Spiel

Durch das Spiel mit Ballen, Fläche und Rückseite der Hand oder auch mit den Fingern erklangen auf Schellentrommeln, Tamburinen, Rahmentrommeln verschiedener Grösse und Formen vielfältige Nuancen. Daneben gab es aufheizende Tanzrhythmen in wildem Accelerando, zum Beispiel die für die Region typische Tarantella, von der es heisst, dass sie zu Zuckungen führt wie nach einem schmerzhaften Tarantelbiss. Nach dem begeisterten Applaus der grossen Zuhörerschaft traf auch Marianne Sigrist, die Programmverantwortliche der Konzertreihe, ins Schwarze, indem sie die Musiker mit einem glänzenden roten Herz süssen Inhalts beschenkte, das jeder lächelnd an seine pochende Brust drückte.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten 24. Februar 2015

Festliche Musik mit alten Instrumenten

Es war wie ein Weihnachtsmärchen aus dem Bilderbuch: die Bäume und das Gartengeviert tief verschneit vor den trutzigen Mauern des Klosters, warmes Licht aus Laternen im Schnee und gleissendes Gold an den barocken Altären des feierlichen Kirchenraums, umgeben von vier prächtig erleuchteten Christbäumen und einer herzerwärmenden Weihnachtskrippe. Und als letzte Überhöhung erklang in diesem stimmungsvollen Rahmen himmlisch schöne, innig zarte und auch festlich strahlende Weihnachtsmusik aus der Zeit des Klarissenklosters.

Eine erstaunlich grosse Zuhörerschaft hatte sich trotz des beschwerlichen Wegs durch Kälte und Schnee eingefunden, um sich das Highlight mit dem «Broken Consort» zu Gemüte zu führen. Vier handverlesene Spezialisten ihres Fachs mit historischen Instrumenten: das im Klettgau wohnhafte Ehepaar Henry Moderlak und Monique Baumann, (ventil- und klappenlose) Barocktrompete und Traversflöte, Bettina Messerschmidt, Barockcello, und Thomas Leininger, Cembalo und Orgel, spielten auf meisterhafte Weise weihnachtliche Musik aus dem Früh- und Hochbarock.

Die bezaubernde junge Sopranistin Miriam Feuersinger mit ihrer strahlend klaren Barockstimme musizierte zusammen mit dem Ensemble Kantaten und geistliche Konzerte von Andreas Hammerschmidt, Johann Kuhnau und Johann Rosenmüller, allesamt Vorgänger von Johann Sebastian Bach in der Region Leipzig und Erzgebirge (wo auch der Trompeter Henry Moderlak aufwuchs).

Alle fünf Musiker und Musikerinnen haben die historische Aufführungspraxis bis ins letzte Detail, was alte Gesangs- bzw. Spieltechniken anbetrifft, Artikulation, Verzierungslehre, Tempoproportionen und Generalbassspiel perfekt verinnerlicht. In verschiedenen Zusammensetzungen musizierten sie kammermusikalische Werke und geistliche Musik verschiedener deutscher Barockkomponisten über adventliche und weihnachtliche Motive wie «Machet die Tore weit», «Vom Himmel hoch», «Ihr Himmel jubiliert», «Laudate Pueri» oder «Lobet den Herrn», das nicht nur mit Pauken und Trompeten, sondern auch mit Zimbelglöckchen reizvoll dargeboten wurde. Mit dieser wundervollen Musik, Dresdner Christstollen und Glühwein draussen im Schnee, gespendet von den Veranstaltern der Konzertreihe «Kultur Paradies», wurden die Konzertbesucher reich beschenkt und gestärkt an Leib und Seele auf den winterlichen Heimweg entlassen.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten 30. Dezember 2014

Ein berührendes Erlebnis

 Im dritten Konzert der Reihe «Kultur-Paradies» in der Kirche Paradies in Schlatt war das hochkarätige Westermann Quintett zu Gast – ein Ensemble des renommierten Cellisten Walter Grimmer, dessen Wurzeln bis nach Schaffhausen zurückreichen. Der Name des Streichquintetts bezieht sich auf den Geigenbauer Peter Westermann, auf dessen klangschönen Instrumenten die international zusammengestellten Musiker musizierten: Anna Tarnawska und Egidius Streiff (Violinen), Mariana Doughty (Viola) sowie Kilian Balze und Walter Grimmer (Violoncelli).

Die Interpretationen der Musik von Anton Bruckner und Franz Schubert waren im wahrsten Sinn des Wortes «stimmig». Mit lupenreiner Intonation und beseeltem Ausdruck versetzten sie die zahlreichen Zuhörer (erfreulicherweise waren auch etliche der jüngsten Generation darunter) in ein Wechselbad intensiver Gemütsstimmungen.

Das Zusammenspiel des Quintetts war von vollendeter Meisterschaft. Bruckners spätromantisches Adagio aus seinem einzigen von ihm autorisierten Kammermusikwerk war eine ruhig strömende, meditative «unendliche Melodie» mit sinnlich warmem, blühendem Klang, der sich durch die Gewichtung des tiefen Registers in den weit angelegten Spannungsbögen zu sinfonischer Fülle entwickelte. Liebevoll wurden die für Bruckner typischen harmonischen Wendungen aufgefangen und die verinnerlichten Pianissimi bis zum Verlöschen des Satzes ausgekostet. Der Pultwechsel unter den Geigen und Celli für Schuberts spätes Streichquintett C-Dur zeigte, wie ebenbürtig untereinander und ohne Selbstdarstellung sich jeder in den Dienst der Musik stellte. Das episch angelegte Meisterwerk des mit 31 Jahren jung verstorbenen Komponisten erhielt eine wunderbare Wiedergabe, wo virtuose Zugriffigkeit mit liedhafter, inniger Melodienseligkeit, leise Melancholie mit ver- haltener Fröhlichkeit, volkstümliche Anklänge und leidenschaftliche, tragische Ausbrüche eine reiche Welt an Gefühlen und Stimmungen herauf- beschworen. Das überirdisch entrückte, verklärte Adagio mit dem berührenden Zwiegespräch der Randstimmen vermochte beinahe zu Tränen zu rühren. Auf dem dunklen Heimweg klang das tief bewegende Erlebnis noch innerlich lange nach.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten 18. November 2014

Bratschist Garth Knox in der Klosterkirche Paradies

Garth Knox ist wirklich in keinem Bratschisten-Witz («Weshalb fürchtet sich ein Bratscher auf Friedhöfen? Zu viele Kreuze!») wiederzuerkennen. Was der in Irland geborene, in Schottland aufgewachsene und heute in Paris lebende Musiker mit weltweiter Reputation mit und auf seinem Instrument anstellt, ist nicht nur atemberaubend und aufregend. Der Meister zeigt sich auch furchtlos bei der Bewältigung der durch die Wahl der Stücke selbst auferlegten technischen Schwierigkeiten. Und wenn er gar seine Viola d’amore zur Hand nimmt, den historischen Vorläufer aus der Violadagamba-Familie mit sieben Spiel- und nochmals so vielen Resonanzsaiten, gibt man einerseits Leopold Mozart recht («Es ist eine besondere Art der Geigen, die, sonderlich bey der Abendstille, recht lieblich klinget») und hört andererseits, dass es Garth Knox keineswegs um die Wiederbelebung einer vergangenen Klangwelt geht. Vielmehr findet er auf diesem Instrument ein musikalisches Idiom, das sich für die Gegenwart bis hin zur experimentellen Musik verständlich macht.

All diese Eindrücke waren am späten Sonntagnachmittag beim zweiten Saisonkonzert im Rahmen von «Kultur in der Klosterkirche Paradies» zu gewinnen. Dass es etwas enttäuschend begann (mit Verspätung, weil der Streik der deutschen Lokführer die Anreise der Musiker behinderte), lag an einer Umbesetzung: Statt des Perkussionisten Sylvain Lemêtre stand die Bratschistin (und auch Violad’amore-Spielerin) Julia Robert am Notenpult. Das Schlagzeug hätte dem Speziellen dieses Konzerts gewiss noch Spezielleres verliehen. Was aber nichts gegen das Musizieren von Julia Robert besagen soll: Nicht so frei und unbekümmert wie bei Garth Knox, aber darauf konzentriert, eine gute und sich gut einfügende Partnerin im Trio zu sein. Zu diesem gehörte als Dritte die französische Cellistin Agnès Vesterman, die häufig mit Knox auftritt und mit ihm zusammen auch Tonträger eingespielt hat. Was in ihr steckt, demonstrierte sie mit einer Fuga aus Benjamin Brittens Suiten für Cello solo, die auf die virtuose Technik des Widmungsträgers Mstislav Rostropovich zugeschnitten sind. Die Fuga erklang unter den Fingern von Agnès Vesterman denn auch in ihrer Radikalität, aber ebenso mit ihrer melodischen Linienführung in eindrücklicher Weise.

Weitreichender Klangbogen

Doch natürlich stand Garth Knox im Mittelpunkt. Er katapultierte die Zuhörerschaft aus dem «bey der Abendstille recht lieblich Klingendem» (Heinrich Ignaz Franz Bibers Partita für zwei Violas d’amore) in die Moderne des frühen zwanzigsten Jahrhunderts (drei für zwei Bratschen und Cello adaptierte Klavierstücke von Erik Satie) und dann in die von Jazz und Moderne geprägte Klangmalerei des amerikanischen Komponisten, Saxofonisten und Bandleaders John Zorn (drei Stücke aus dem «Book of Angels»). Und als Garth Knox und seine beiden Mitmusikerinnen Garth Knox spielten (Piccicati mit neun Fingern der linken und rechten Hand, Glissandi mit einem Finger und ein Stück, das die Bögen springend, wischend und klopfend in alle Richtungen tanzen liess), war klar: Hier wird das Instrument zum klanglichen Hokuspokusstab, mit dem es sich Töne regnen lässt. Aus einem Hoch heraus, das abschliessend von Irland über das «Paradies» zog – mit traditioneller irischer Volksmusik.

Martin Edlin - Schaffhauser Nachrichten 21. Oktober 2014

Die Vielen Farben des Klangs

Merel-Streichquartett im "Paradies"

Das 2002 in Zürich gegründete, europaweit gastierende Merel-Streichquartett setzte am späten Sonntagnachmittag einen gewichtigen Auftakt zur neuen Saison der in vieler Hinsicht bemerkenswerten Konzerte in der Klosterkirche Paradies. Es tat es einerseits mit einem technisch wie musikalisch hohe Ansprüche erfüllenden Spiel, fein aufeinander abgestimmt und doch der Individualität der vier Musizierenden Raum schaffend, und andererseits mit einem Programm, das der «Königsklasse der Kammermusik» ein markantes Gesicht verlieh: mit Ludwig van Beethovens frühem Opus 18, Nummer 5, in A-Dur und dem sieben Jahre später entstandenen Werk in F-Dur, Opus 59/1, sowie mit Béla Bartóks sechstem Streichquartett aus dem Jahr 1939. Die Quartette Beethovens und Bartóks – vor allem diejenigen aus den späten Schaffensperioden – gelten als eine Art Quintessenz des kompositorischen Denkens der beiden. Und weil das besonders für Bartóks sechstes Quartett zutrifft, wurde es zu Recht in die Konzertmitte gestellt.

Das Merel-Quartett leuchtete es in all seinen Stimmungen aus, von den lichten bis zu den dramatischunerbittlichen, von den friedvollen bis zu den gehetzten. Und was dem Ensemble besonders gut gelang: Es betonte das Farbliche des Klangs und die immer wieder überraschende Akzente setzende Rhythmik und schlüsselte so das motivische, im Volksliedgut wurzelnde Material auf, ohne die stringente Radikalität der Komposition aufzuweichen. Das Merel-Quartett, das an seinen Pulten bereits drei Umbesetzungen erfahren hat – geblieben sind die erste Geigerin Mary Ellen Woodside und der Cellist Rafael Rosenfeld, hervorragende Musiker, die beide Mitglieder des Zürcher Tonhalleorchesters waren oder (Rosenfeld) sind –, stellte sich als homogenes Ensemble vor, dessen Präsenz sowohl von der hohen Konzentration und der (nur ganz selten getrübten) Präzision als auch von einer musikantischen Spontaneität des Ausdrucks lebt. Dass das kein Gegensatz sein muss, bewiesen die vier mit ihrem Aufeinandereingehen, da kompakt, dort dialogisch. Der Bratschist Alessandro D’Amico trägt viel zu dieser Lebendigkeit bei, der zweite Geiger, Manuel Oswald, mag etwas zurückhaltender wirken, fügt sich jedoch bestens in den Klangkörper ein. Mary Ellen Woodside und Rafael Rosenfeld bilden die gesamthaft gestaltenden Elemente, virtuos und souverän. All das liess auch die beiden Beethoven-Quartette zum Hörgenuss werden: das A-Dur-Werk mit seinen mozartschen Bezügen hell und freundlich, das erste der sogenannten Rasumowsky-Quartette mit seiner eigenständigen Themenentfaltung und mit der Weitung zum Sinfonischen in seiner ganzen Kraft (schön herausgearbeitet etwa das Scherzando mit dem vom Cello intonierten Trommelrhythmus, auf den die erste Violine mit einem melodischen Motiv antwortet). Kurz: Ein Quartettabend, der zum Erlebnis wurde.

Martin Edlin – Schaffhauser Nachrichten 23. September 2014

Reichlich Stoff für virtuose Gesten

Es ist bekannt, dass herausragende Talente der klassischen Musikszene oft einem familiären Hintergrund ganzer Musikerdynastien entstammen, wo bereits die Eltern aussergewöhnliche Musikerpersönlichkeiten waren. Es war ein Glücksfall, dass im letzten Konzert der Kultursaison in der Klosterkirche Paradies die Eltern und die Schwester der Geigerin Patricia Kopatchinskaja, des kometenhaft aufgestiegenen Shootingstars, für ein Gastspiel gewonnen werden konnten, die zuvor vor ausverkauften Reihen in Bern aufgetreten waren. Das Virtuosenehepaar Emilia Kopatchinskaja (Geige und Bratsche) und Viktor Kopatchinsky (Cymbal) gab mit den jungen Musikern Jacqueline Kopatchinskaja (Bratsche) und dem Kontrabassisten Hans Jürgen Stuchlik ein atemberaubendes Konzert mit osteuropäischer Volksmusik aus Moldawien, Ungarn, Rumänien sowie Exkursen nach Spanien in unvergleichlicher Weise. Viktor Kopatchinsky war vor seiner Auswanderung nach Österreich ein viel gefeierter Hackbrettvirtuose in seiner Heimat Moldawien und in Russland. Seine Frau Emilia, ebenfalls klassisch ausgebildet, steht ihm punkto Können in nichts nach. Gemeinsam haben sie sich auf die schwermütig-feurige, temperamentvolle Volksmusik Osteuropas verlegt. Unglaublich, mit welch routinierter Fertigkeit die beiden ihre Instrumente beherrschten, es verging einem Hören und Sehen. In rasender Geschwindigkeit prasselten die Schlägel auf die Saiten des Cymbals. Das solistische Feuerwerk von Kopatchinskys improvisatorisch freier Eigenkomposition «Geständnis und Tanz» grenzte schier ans Unglaubliche, wie so schnelle Tonrepetitionen mit einer Hand überhaupt möglich sind. Auch die Geigerin brillierte mit halsbrecherischer Spielartistik in Virtuosenstücken von Pablo de Sarasate und Grigoras Dinicu, ebenso boten die auf ihre Instrumente massgeschneiderten Transskriptionen mit Musik von Johannes Brahms und dem Teufelsvirtuosen Franz Liszt reichlich Stoff für die grosse virtuose Geste. Daneben kamen liedhafte Kantilenen und gesanglicher Wohlklang nicht zu kurz, so in Bartóks rumänischen Volkstänzen. Und die Einlagen mit J. S. Bachs schlichtem C-Dur-Präludium aus dem «Wohltemperierten Klavier» und einem geschmeidig swingenden Jazzstück von Stéphane Grapelli waren eine wahre Wohltat der Erholung.

Gisela Zweifel-Fehlmann – Schaffhauser Nachrichten 18. März 2014

Virtuos und nuanciert gespielt

Leise Musik für Gitarrenquartett abseits aller Hörgewohnheiten – was für eine Überraschung! Das gemischte Programm des Take Four Guitar Quartet im Rahmen der Konzertreihe «Kultur in der Klosterkirche Paradies» wurde zu einem einmaligen Erlebnis. Vier hochkarätige Gitarristen mit mehreren internationalen Auszeichnungen spielten Musik vom Feinsten unter dem Motto «La Danza», mit ansteckender Spielfreude und hoher Sensibilität in letzter Vollendung.

Durch ihre Unterrichtstätigkeit in Schaffhausen haben die Deutschen Pia Grees und Matthias Kläger einen Berührungspunkt zur Region, mit den beiden Belgiern Johan Fostier und Luc Vander Borght musizieren sie schon seit ihrer Studienzeit zusammen. Mehrere CD-Aufnahmen dokumentieren ihr hohes Können. Die selber arrangierten Orchesterumschreibungen für vier Gitarren waren schon hohe Kunst für sich und weitgehend Luc Vander Borght zu verdanken. Von Barockmusik, lateinamerikanischen Kompositionen bis zu neuerer osteuropäischer Kunstmusik bewiesen die Musiker eine hohe Kenntnis unterschiedlichster Musikstile, die klanglichen Möglichkeiten ihrer Instrumente, auch durch perkussive Effekte, voll ausschöpfend. Henry Purcells Suitensätze aus seiner Ballettmusik «The Fairy Queen» nach Shakespeares «Sommernachtstraum» liessen vom ersten Ton an aufhorchen. Im vierstimmigen Satz zauberte das Quartett eine fantasievolle, farbige Feenwelt nach altenglisch höfischer Lebensart, um sich danach in die armenische Seele von Aram Khatchaturian hineinzuversetzen. Folkloristische Elemente, Träumereien und ungezügelte Wildheit prägten die genialen, klanglich raffinier- ten Interpretationen. Auch hier beein- druckten die stupende Präzision und die hohe Empfindsamkeit des gemeinsamen musikalisch freien Ausdrucks. Je nach Registerlage wechselten Ins- trumente und Stimmführungen mit grosser Flexibilität. Mit sichtlichem Vergnügen, Charme und Witz wurde des Weiteren ungewohnt fröhliche Musik von Dmitri Schostakowitsch dargeboten. Im zweiten Teil des Abends erklang glutvolle argentinische und brasilianische Musik. Auch hier musizierte das Ensemble mit grosser Freiheit, feinsten Farben und Nuancen. Selbst verlorene Traurigkeit, versonnene Melancholie, daneben eine klassische Fuge von hoher Virtuosität, innige Melodien und temperamentvolle Tanzfreude überboten sich in der ganzen Vielfalt menschlicher Empfindungen. Als letztes köstliches Zückerchen die gespielt/gesungene Zugabe des Evergreens vom armen schönen Gigolo, daneben noch einmal Astor Piazzolla: einfach umwerfend.

Gisela Zweifel-Fehlmann - Schaffhauser Nachrichten 25. Februar 2014

Heisse Rhythmen im Paradies

Wenn die Nonnen im Paradies – wo sie früher waren und ihre Seelen jetzt sind – Samba tanzen dürften, hätte ihnen das Konzert in ihrer Klosterkirche bestimmt eine helle Freude bereitet. Sie hätten frohlockt über die wunderbar sauber und sittsam vorgetragene lateinamerikanische Musik durch das hiesige Trio Quizás mit Annemieke Cantor (Gesang), Ricardo Gatzmann (Klarinette) sowie Nuno Miranda (Gitarre und Ukulele). Ob der feierlich-fromme Andachtsraum jedoch dieser lebensprall unbeschwerten Musik zuträglich war, sei dahingestellt. Wäre es zündender gewesen, die Sängerin mit ihrem zarten, warmen und durchsichtigen Timbre ins Mikrofon singen zu lassen? Umso mehr war hier im unverstärkten Ensemble die Klangbalance perfekt. Vielleicht hätte ein Quäntchen mehr Mut zur Selbstdarstellung dem Ganzen gut angestanden.

Dabei war gerade das bescheidene Auftreten der drei hochprofessionellen Musiker überaus sympathisch. Nuno Miranda gab mit portugiesischen Wurzeln in seinem charmanten Deutsch informative Kommentare zur lateinamerikanischen Musik des vorigen Jahrhunderts, indem er die Brücke zwischen Europa und Brasilien, Nord- und Südamerika schlug. Er ist ein fantastischer Gitarrist mit phänomenalem Rhythmusgefühl und auch im klassischen Bereich von stupender Virtuosität, was er im solistischen Preludio Nummer 1 von Heitor Villa-Lobos eindrücklich unter Beweis stellte. Dabei kennt man das Ehepaar Miranda – Annemieke Cantor ist Nuno Mirandas Frau – vor allem auch aus der Szene der Alten Musik als profunde Kenner des Renaissance- und des Barockstils.

Der Klarinettist Ricardo Gatzmann hat seine Wurzeln tatsächlich in Südamerika und stand dem Gitarristen punkto Können in nichts nach. Er ist zudem ein glänzender Jazzmusiker und Improvisator mit geschmeidiger Tongebung aller Schattierungen. «Last but not least» erwies sich auch Annemieke Cantor als eine wandlungsfähige Musikerin mit sicherem musikalischem Gespür. Sie verfügt über eine warme, angenehme und gut geschulte Stimme und darüber hinaus über eine bewundernswerte Sprachbegabung, indem sie auch schnelle Texte in portugiesisch, spanisch und englisch spielend leicht beherrschte. Gemeinsam boten die drei ein abwechslungsreiches Programm mit «Swing aus der neuen Welt» zu zweit oder zu dritt: Chôros, Bossa novas, Sambas, Rumbas, klassisch brasilianische Musik von Villa-Lobos oder jazzige, bekannte Evergreens aus den USA wie «Moon River» oder «Hello Dolly», um nur zwei zu nennen. Es war ein wunderschöner klassischer Abend der anderen Art, und das zahlreich erschienene Publikum bewies, dass auch ein solches Konzert durchaus seinen Platz in der Klosterkirche Paradies hat.

 

Gisela Zweifel - Schaffhauser Nachrichten 29. Oktober 2013

Der Mann mit der Geige als Zauberstab

Die von Marianne Sigrist mit viel Engagement und kluger Programmgestaltung betreuten Konzerte in der Klosterkirche Paradies entpuppen sich auch in ihrer elften Saison als musikalisches Schatzkästchen: Sechs spätnachmittägliche Anlässe, die Kostbarkeiten aus dem Reich der Töne zutage fördern. Den Anfang machten am Sonntag die 24 Capricci für Solovioline von Niccolò Paganini, für deren Interpretation der international reputierte Schweizer Geigenvirtuose Alexandre Dubach hatte gewonnen werden können. Der Thuner, der sich als Wunderkind schon mit neun Jahren Preise zu erspielen begann und zu seinen Lehrern Yehudi Menuhin und Nathan Milstein zählen durfte, gilt trotz seines breiten Repertoires als ausgesprochener Paganini-Spezialist: Seine Einspielungen aller sechs Violinkonzerte des italienischen «Hexers» haben bereits vor vielen Jahren hohe Anerkennung gefunden. Und heute? Der 58-jährige ist der liebenswürdige Künstler geblieben, der seine stupende Technik – Paganinis Capricci bergen so ziemlich alle Schwierigkeiten, die zur hohen Schule des Geigenspiels zählen – ganz anders einsetzt als damals der Komponist, der seinen Ruf als «Teufelsgeiger» sorgsam inszeniert hatte. Nicht die diabolisch maskierte Fähigkeit, diese Noten überhaupt zum Erklingen bringen, oder die Verblüffung, die Hürden der Fingersätze und Bogenführungen ohne Abwurf überspringen zu können, steht bei Dubach im Vordergrund, sondern vielmehr das Ausleuchten der Köstlichkeiten dieser 24 virtuosen Arabesken. Mit Worten charakterisierte er jeweils die einzelnen Stücke und die Herausforderungen, die sie für den Geiger darstellen, und schon blitzte auch der Schalk auf, mit dem Paganini seine damalige Zuhörerschaft umgarnte. Aber ebenso ist die seinen Werken oft abgesprochene Tiefe bei Dubachs Interpretation plötzlich hörbar, nicht zuletzt, weil sie in den elegisch-romantischen, melodienseligen Passagen eine berührende Kantabilität pflegt. Mag sein, dass manchmal ein geschleppter Lagenwechsel etwas arg Salonmusikeffekte hervorrief … kluge, nie überhastete Tempi und eine sehr gepflegte, bewusst eingesetzte Dynamik erbrachten hohen Klanggenuss (auch bei den als Zugabe gespielten Sätzen aus Johann Sebastian Bachs Suiten für Solovioline), und die fein herausgespielten Kontraste hielten knisternde Spannung aufrecht. Das Publikum, das die Klosterkirche gut füllte und erfreulich viele Jugendliche zählte, blieb jedenfalls trotz der fast zweistündigen Konzertdauer höchst aufmerksam. Dass sich der Solist beim begeistert applaudierenden Publikum für den Konzertabend in diesem ihm akustisch entgegenkommenden und ihn beeindruckenden Kirchenraum bedankte (und nicht nur umgekehrt), widerspiegelte ein letztes Mal das in vieler Hinsicht Besondere dieser Künstlerpersönlichkeit.

 

Martin Edlin - Schaffhauser Nachrichten 17. September 2013

Ein exquisites und hochkarätiges Duo

Unter der Leitung von Marianne Sigrist veranstaltet der Verein der Freunde der Klosterkirche Paradies seit etlichen Jahren Konzerte mit hochkarätigen Programmen und hervorragenden Interpreten. Das war am Sonntag nicht anders. Da hatte sich die Geigerin Bettina Boller mit dem Akkordeonisten Srdjan Vukasinovic zu einem exquisiten Duo zusammengetan, um eine ausgesuchte Werkfolge aus dem späten Barock und dem frühen 20. Jahrhundert zu Gehör zu bringen, wobei mehrere geistige Verwandtschaften beider Tonsprachen, aber auch unverwechselbare Eigensprache zu spannender Wirkung gelangten.

Bettina Boller eröffnete den Abend mit der Solosonate in G-Dur BWV 1021 von J. S. Bach, deren Einzelsätze sie wirkungsvoll und mit kantablem Ton zu solistischer Wirkung brachte. Doch schon mit dem zweiten Satz, einem packenden Vivace, wirkte der Akkordeonist als gewiegter Partner mit starker Initiativ- und Ausdrucksvielfalt. Von Fritz Kreisler erklangen sodann Präludium und Allegro «in the style of Pugnani» 1731–1798), der zu seiner Zeit ebenfalls europaweit als Geiger und Komponist berühmt war, und Kreisler hat die typische Spielfreude des Spätbarock mit den Wirkungsneuigkeiten seiner eigenen Epoche bewundernswert miteinander in Übereinstimmung zu bringen verstanden.Und just diese Qualität – Musizierfreude beider Epochen und die harmonische Ausrichtung beider Tonsprachen – haben die beiden Interpreten imponierend zur Geltung zu bringen gewusst.

Der Florentiner Francesco Maria Veracini (1690–1769) war etwas älter, aber während weniger Jahrzehnte auch Zeitgenosse von Pugnani. Ähnlichkeiten, aber auch Eigenständigkeiten beider Tonsprachen kamen in einer freudvollen und geistvollen Interpretation der Sonata academica in e-Moll et cetera durch die Spielpartner zu ungemein lebensvoller Auswirkung. Und Fritz Kreisler kam mit seiner «Danse Espagnole» nochmals als Jünger von Manuel de Falla zu hoher Geltung, was Boller und Vukasinovic dank umfassendem Können wieder beglückend realisierten. Es folgte charakteristische Musik aus dem 20. Jahrhundert: von Charles de Bériot das rassige «Fantasia Ballet», das vor allem die Abwechslung von Soli- und Duostellen überaus attraktiv resultieren liess. Den «Liber Tango» von Piazzolla hat der Akkordeonist selbst für sein Instrument arrangiert, von Monti erklang noch ein Czardas,mit dessen Interpretation Boller eine wunderbare Stimme zaubervoll mitklingen liess. Die Komponisten Piazolla, Monti und sogar Tschaikowskys «Chanson triste» bewiesen zum Schluss, dass die Tonsprache zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zwar neue Wege gegangen ist, aber der musikalischen Qualität des Spätbarock in nichts nachsteht. Die Interpreten wussten das genau und brachten die Fülle dieser Musik zu vollem Erblühen.

 

Rita Wolfensberger - Schaffhauser Nachrichten 20. November 2013